Robert Klatt
Ein neuer Bluttest erkennt erhöhtes Alzheimer-Risiko bereits 14 Jahre vor der Diagnose. Bevor der Test seine Zulassung erhalten kann, sind aber noch weitere Studien nötig, um falsch-positive Ergebnisse ausschließen zu können.
Bochum (Deutschland). Laut einer Statistik der Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. Selbsthilfe Demenz (DAlzG) sind in Deutschland etwa 1,7 Millionen Menschen von Demenz betroffen. Den größten Anteil daran hat Alzheimer. Dazu kommen pro Jahr etwa 300.000 Neuerkrankungen. Eine Heilung dieser Krankheit, bei der die Zellen des Gehirns zerstört werden, ist derzeit noch nicht möglich. Es ist daher wichtig, dass die Krankheit vor dem Auftreten der ersten Symptome erkannt wird, weil dann die Entwicklung durch Medikamente noch verlangsamt werden kann. Ein möglicher Ansatz zur Früherkennung ist dabei die Auswertung von Hirnscans durch eine Künstliche Intelligenz.
Nun haben Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) im Fachmagazin Alzheimer & Dementia einen Bluttest vorgestellt, der ein erhöhtes Alzheimer-Risiko bereits 14 Jahre vor der Diagnose erkennen kann. Studienleiter Hermann Brenner erklärt, dass „inzwischen alle Hoffnungen darauf liegen mit neuen Therapieansätzen in dieser symptomlosen Frühphase der Erkrankung präventiv einzugreifen.“
Eine erste Studie der Wissenschaftler, die im vergangenen Jahr im Fachmagazin EMBO Molecular Medicine publiziert wurde, hat bereits belegt, dass der von ihnen entwickelte Bluttest Alzheimer acht Jahre vor der klinischen Diagnose nachweisen kann. Dazu wird Blut mithilfe eines speziellen Infrarotsensors auf krankhaft veränderte Amyloid-Beta-Proteine untersucht. Es handelt sich dabei um Proteine, die zur Bildung des sogenannten Plaques bei Alzheimer-Patienten führt.
Um zu untersuchen, wie lange im Voraus ein erhöhtes Alzheimer-Risiko mit dieser Methode erkannt werden kann, wurden nun Blutproben einer Langzeitstudie aus dem Jahr 2000 ausgewertet. Analysiert wurde Blut von 150 Menschen, die in den 14 Jahren nach der Entnahme eine Alzheimer-Diagnose erhielten. Als Kontrollgruppe diente Blut von 620 Probanden, bei denen bisher kein Alzheimer erkannt wurde. Laut Brenner „ging es bei dieser nicht darum, anhand der Amyloid-β-Faltung individuelle Diagnosen zu erstellen.“ Stattdessen wollten die Wissenschaftler prüfen, „ob dieser Laborwert für eine Risikostratifizierung größerer Bevölkerungsgruppen geeignet ist.“
Es zeigte sich dabei, dass bei den Probanden, in deren Blut eine erhöhte Konzentration fehlgefalteter Amyloid-Proteine vorkam, auch das Alzheimer-Risiko deutlich höher war. Im Vergleich zur Kontrollgruppe konnten die Wissenschaftler ein bis zu 23-fach höheres Risiko der Krankheit erkennen. Laut Hannah Stocker „hat sich hiermit die Untersuchung auf Fehlfaltung des Amyloid-β den anderen potenziellen Risikomarkern als weitaus überlegen erwiesen.“
„Mit dem neuen Nachweisverfahren können wir möglicherweise nicht-invasiv und kostengünstig Hochrisikogruppen, die noch keine Symptome zeigen, erkennen“, fügt Klaus Gerwert hinzu. Der Wissenschaftler der RUB hofft, dass „bei diesen Personen unter Umständen die Medikamente doch noch greifen, die bislang in klinischen Studien keine Wirkung gezeigt haben.“
Bevor der Bluttest auch von Ärzten eingesetzt werden kann, wird es in jedem Fall noch mehrere Jahre dauern. Die Wissenschaftler erklären, dass für eine Zulassung noch weitere Studien nötig sind, unter anderem um falsch-positive Ergebnisse ausschließen zu können. Im nächsten Schritt soll die Zuverlässigkeit des Bluttests anhand einer deutlich größeren Probandengruppe verifiziert werden. Außerdem erfolgt ein Abgleich des Bluttests mit bewährten Verfahren wie der Untersuchung des Nervenwassers.
Alzheimer & Dementia, doi: 10.1016/j.jalz.2019.08.189