Robert Klatt
Krafttraining setzt den Botenstoff BDNF frei, der langfristig die Ausdauermuskulatur verringert. In Zukunft könnten die Erkenntnisse dabei helfen neue Therapieansätze gegen den Muskelschwund im Alter zu finden.
Basel (Schweiz). Die Muskeln des Menschen setzen sich zum einen aus langsam kontrahierenden Fasern zusammen, die für eine lange Ausdauer sorgen, als auch zum anderen aus Fasern, die schnell kontrahieren und durch Krafttraining ein höheres Volumen erhalten. Die unterschiedlichen Aufgaben der beiden Fasertypen werden seit langem beim Training im Profisport berücksichtigt, wieso diese Korrelation besteht war bis vor kurzem aber noch unbekannt.
Wissenschaftler der Universität Basel haben nun herausgefunden, dass die Muskeln beim Krafttraining einen Botenstoff aussenden, der dafür sorgt, dass Ausdauermuskulatur verringert wird. Die Ergebnisse der Studie wurde im Fachmagazin PNAS publiziert.
Die Forschungsgruppe des Biozentrums der Universität Basel rund um Christoph Handschin hat dazu analysiert welche Auswirkungen der Botenstoff BDNF (brain-derived neurotrophic factor), der beim Krafttraining freigesetzt wird und bei der Bildung von Kraftmuskelfasern eine entscheidende Rolle spielt, auf die Ausdauermuskulatur hat.
BDNF gehört zu den Myokinen, dies sind hormonähnliche Stoffe, die durch die Kontraktion von Muskeln freigesetzt werden. Experimente mit Labormäusen zeigten, dass BDNF die neuromuskulären Synapsen umformt, die als Verbundingen zwischen Motoneuronen (Nervenzellen) die Kontraktion der Muskeln kontrollieren. BDNF wird im Gegensatz zu anderen Myokinen von den Muskeln selbst hergestellt.
Laut Handschin ist es „interessant, dass dieser neu identifizierte BDNF selbst vom Muskel gebildet wird und nicht nur auf den Muskel einwirkt. Er bildet gleichzeitig auch die neuromuskulären Synapsen um, also die Verbindungen zwischen Motoneuron und Muskel,“
Die durch das beim Krafttraining ausgeschüttete BDNF ausgelöste Umformung der Synapsen sorgt dafür, dass im Körper vermehrt die Kraftmuskulatur wächst und parallel dazu die Ausdauermuskulatur zurückgeht. Wie Handschin erklärt „werden genauer gesagt durch die Ausschüttung des BDNF die Ausdauermuskeln in Kraftmuskulatur umgewandelt.“
Die neuen Erkenntnisse können laut den Studien-Autoren in Zukunft dabei helfen Muskelschwund beim Alterungsprozess zu bekämpfen. Dazu wurde eine weitere Untersuchung durchgeführt, die zeigte, dass Muskeln, in denen BDNF nicht nachgewiesen werden konnte, weniger altersbedingte Einschränkungen hatten, als Muskeln, in denen der Botenstoff vorhanden ist. Ein Nichtvorhandensein des Myokins sorgt dafür, dass die Muskelmasse weniger zurückgeht und dass die Funktionen länger erhalten bleiben. Laut Handschin könnte dieses „unerwartete Ergebnis für therapeutische Ansätze bei Muskelschwund im Alter interessant sein."
PNAS, doi: 10.1073/pnas.1900544116