Robert Klatt
Das psychoaktive Cannabinoid Tetrahydrocannabinol (THC) kann in geringen Mengen nichtmotorische Parkinson-Symptome (NMS) ohne starke Nebenwirkungen deutlich abmildern.
Innsbruck (Österreich). In Deutschland leiden laut Daten der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e. V. (DPG) etwa 400.000 Menschen an Parkinson, weltweit sind es etwa 6,1 Millionen. Nach Alzheimer ist Parkinson damit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Zu den typischen Symptomen gehören neben motorischen Störungen und Zittern (Tremor) auch neurologische Probleme wie Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden und Wahrnehmungsstörungen aber auch kognitive Ausfälle und Angstzustände.
Bisher konnten diese nichtmotorischen Parkinson-Symptome (NMS) kaum behandelt werden. Laut Marina Peball von der Medizinischen Universität Innsbruck „sind die verfügbaren Therapieoptionen begrenzt und ihre Ergebnisse oft unbefriedigend.“
Laut einer nun im Fachmagazin Annals of Neurology publizierten Studie könnte der Cannabisinhaltsstoff Tetrahydrocannabinol (THC), der die psychoaktive Wirkung der Droge auslöst, Abhilfe schaffen. Wie Peball erklärt, „ist die potenzielle therapeutische Wirkung von Cannabinoiden auf Motorik und nichtmotorische Störungen bei Parkinson ist ein wichtiges Thema, das häufig von Patienten im Behandlungsraum angesprochen wird.“ Daten, die belegen, dass eine Behandlung mit Cannabis bei NMS Linderung verschafft, gab es bisher aber nicht.
Die Wissenschaftler der Medizinischen Universität Innsbruck haben deshalb die erste randomisierte Doppelblindstudie dazu durchgeführt. Während der Studie erhielten 38 Frauen und Männer mit Parkinson für einen Zeitraum von fünf Wochen entweder täglich Nabilon, ein Medikament mit synthetischem THC oder ein Placebo. Derzeit ist Nabilon zur Behandlung von Übelkeit in der Krebstherapie zugelassen.
Laut Peball „zeigen die Ergebnisse eine Verbesserung der gesamten NMS-Belastung mit Nabilon.“ Außerdem zeigten die mit THC behandelten Parkinson-Patienten auf der standardisierten Parkinson-Einstufungsskala bessere Ergebnisse und auch bei den motorischen Störungen gab es leichte Besserungen. In der zweiten Studienphase erzielte die Nabilon-Probandengruppe eine weitere Verbesserung, während es bei der Placebogruppe zu einer Verschlimmerung der Symptome kam.
Außerdem zeigen die Studiendaten, dass bereits eine geringe Menge des Cannabinoids von einem Milligramm pro Tag ausreicht, um die positive Wirkung bei Parkinson zu erzielen. Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Schwindel treten deshalb kaum auf.
Das Team um Peball konstatiert daher, dass „Angesichts der Daten und möglichen Wirkmechanismen Nabilon nichtmotorische Symptome bei Patienten mit Parkinson zu verbessern scheint.“ Ausgelöst wird dieser Effekt dadurch, dass die Gehirnareale Substantia nigra und das Striatum, die besonders von Parkinson betroffen sind, viele Cannabinoid-Rezeptoren besitzen. Das THC kann seine Wirkung dort also besonders gut entfalten.
Die Wissenschaftler sind deshalb der Ansicht, dass in Zukunft Cannabinoid-Präparat zur Behandlung von Parkinson eingesetzt werden könnten. Aufgrund der kleinen Pilotstudie sollen die Ergebnisse allerdings noch in einer größeren Studie mit deutlich mehr Teilnehmern kontrolliert werden, bevor eine Zulassung als Parkinson-Medikament erfolgen kann.
Annals of Neurology, doi: 10.1002/ana.25864