Immunsystem

Covid-19 - Rheuma-Medikament Tocilizumab verhindert Zytokinsturm

Robert Klatt

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Das Rheuma-Medikament Tocilizumab verhindert eine Überreaktion des Immunsystems, die bei schweren Covid-19-Verläufen ansonsten zu tödlichen Entzündungsreaktionen und Gewebeschäden führen kann.

Modena (Italien). Bei schweren Covid-19-Verläufen kann eine Überreaktion des Immunsystems, die als Zytokinsturm bezeichnet wird, zu tödlichen Entzündungsreaktionen und Gewebeschäden führen. Bei Covid-19 tritt dies häufig dann auf, wenn die Infektion von der Lunge auf weitere Organe oder Blutgefäße übergreift. Laut chinesischen Ärzten kann das Rheuma-Biologikums Tocilizumab diese Immunreaktion abschwächen oder sogar vollständig unterdrücken.

Eine im Fachmagazin Lancet Rheumatology publizierte Studie von drei italienischen Krankenhäuser hat dies nun bestätigt. Die Studie basiert auf Daten von 179 Covid-19-Patienten, denen das Biologikum Tocilizumab verabreicht wurde. Eigentlich wurde dieses Medikament zur Behandlung von rheumatischen Erkrankungen entwickelt. Es neutralisiert den Rezeptor für Interleukin 6, der eine entscheidende Funktion des Immunsystems bei der Abwehr von Infektionen einnimmt.

Wirkstoff begrenzt verfügbar

Neben den 179 Covid-Patienten, die das Rheuma-Medikament erhielten, wurden in den drei Kliniken noch 365 weitere Patienten mit der Standardtherapie behandelt, weil der Wirkstoff nur begrenzt verfügbar war. Tocilizumab wurde laut einem Vergleich der Patienteneigenschaften vor allem bei schwer kranken Patienten mit einem durchschnittlichen Horovitz-Quotienten (PaO2/FiO2) von 169 mm Hg genutzt, während die Vergleichsgruppe einen Horovitz-Quotienten von 277 mm Hg hatte.

Es handelt sich beim Horovitz-Quotienten um eine Skala, die den Schweregrad des Lungenversagens beschreibt. Überraschenderweise sorgte das Rheuma-Medikament für einen Anstieg der SOFA-Score auf drei, während dieser Wert in der Kontrollgruppe mit der Standardtherapie bei zwei blieb. Die SOFA-Score wird zur Bewertung des Multiorganversagens genutzt.

Tocilizumab reduziert Sterberate

Obwohl die Ausgangslage bei Einsatz von Tocilizumab aufgrund der deutlich höheren SOFA-Score im Vergleich zur Standardtherapie negativ erscheint, konnte das Rheuma-Medikament Tocilizumab die auf sieben Prozent reduzieren. Die Kontrollgruppe hatte hingegen trotz der im Durchschnitt milderen Krankheitsverläufe einen Sterberate von 20 Prozent.

Laut Cristina Mussini von der Universität in Modena liegt unter Berücksichtigung der individuellen Patienteneigenschaften somit beim Einsatz von Tocilizumab eine adjustierte Hazard Ratio von 0,61 vor. Im Vergleich zur Standardtherapie sinkt durch das Medikament das Sterberisiko damit um zwei Drittel.

Trotz der positiven Ergebnisse berichten die Wissenschaftler auch von einer möglichen Nebenwirkung, die sich darin äußert, dass es bei 13 Prozent der mit Tocilizumab behandelten Patienten erneut zu Covid-19 kam, während eine erneute Infektion in der Kontrollgruppe nur vier Prozent der Patienten traf. Außerdem ist es möglich, dass die Ärzte unbewusst das Medikament Patienten verabreicht haben, deren Überlebenschance sie als besonders hoch bewertet haben. Bevor eine finale Aussage zur Wirksamkeit gemacht werden kann, muss daher eine randomisierten klinischen Studie erst die retrospektive Analyse bestätigen.

Lancet Rheumatology, doi: 10.1016/S2665-9913(20)30173-9

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