Robert Klatt
Das Covid-19-Infektionsrisiko in Gemeinschaftsunterkünften und Sammelunterkünften für Geflüchtete ist mit 17 Prozent sehr hoch, unterliegt aber einer starken Varianz.
Bielefeld (Deutschland). Viele Covid-19-Erkrankungen verlaufen laut einer Reihe unabhängiger Studien asymptomatisch. Dies führt auch in Deutschland zu einer hohen Dunkelziffer nicht erkannter Covid-19-Infektionen, die die weitere Ausbreitung des Coronavirus begünstigen. Neben dem persönlichen Kontakt sind auch Aerosole, die den Virus tragen und durch lautes Reden lange in der Luft verbleiben, im Verdacht, eine der Hauptübertragungsquellen zu sein.
Wissenschaftler der Universität Bielefeld haben aus diesem Grund eine Studie erstellt, die untersucht, ob in Sammelunterkünften für Geflüchtete ein erhöhtes Infektionsrisiko herrscht. Die im wissenschaftlichen Journal PUB veröffentlichte Forschungsarbeit basiert auf Daten von 9.785 Geflüchteten aus 42 Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften in Deutschland, von denen 1.769 positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden.
Kayvan Bozorgmehr, Professor für Public Health und Leiter der Arbeitsgruppe Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld erklärte gegenüber dem Ärzteblatt, dass „das mittlere Risiko ebenfalls positiv auf SARS-CoV-2 getestet zu werden für die Bewohner über alle 42 von uns untersuchten Einrichtungen hinweg bei 17 Prozent lag.“ Dabei besteht jedoch eine große Varianz, die dazu führt, dass in einigen Einrichtungen das Risiko deutlich niedriger ist, bei anderen hingegen deutlich höher.
Bozorgmehr merkt außerdem an, dass „sich diese Ergebnisse allerdings nicht auf alle Geflüchteten übertragen lassen, da nur Sammelunterkünfte untersucht wurden, in denen mindestens ein Fall aufgetreten war.“ Wie Bozorgmehr erklärt, „zeigt die Erhebung jedoch deutlich, dass wenn sich in einer Sammelunterkunft eine SARS-CoV-2-Infektion bestätigt, dann ist das Risiko einer Infektion für alle anderen Menschen in dem Heim ebenfalls hoch und liegt bei etwa 17 Prozent.“
Oliver Razum, Co-Autor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe Epidemiologie & International Public Health der Fakultät für Gesundheitswissenschaften sieht als Hauptursache des sehr hohen Infektionsrisikos die beengten Verhältnisse, die Schutzmaßnahmen wie Social Distancing erschweren und die Ausbreitung des Virus damit beschleunigen. Weitere Hotspots innerhalb der Einrichtungen sind laut Razum Toiletten, Duschen und Küchen sowie weitere Gemeinschaftsräume, die von vielen Personen innerhalb kurzer Zeit genutzt werden.
Maßnahmen, die ein Auftreten der Infektion zu 100 Prozent verhindern können, gibt es laut dem Epidemiologen zwar nicht, das Infektionsrisiko ließe sich durch eine dezentrale Unterbringung und Einzelzimmer laut dem Wissenschaftler aber deutlich reduzieren.
PUB, doi: 10.4119/unibi/2943665