Robert Klatt
Das Gehirn braucht auch im Ruhezustand viel Energie. Eine neue Studie zeigt nun erstmals die Ursache dafür.
New York (U.S.A.). Bei Menschen macht das Gehirn nur etwa zwei Prozent des Körpergewichts aus, verbraucht aber 20 Prozent der Energie. Ein Großteil davon geht auf elektrische und chemische Signale zurück, die für die Kommunikation der Nervenzellen benötigt werden. Der Energiebedarf des Gehirns nimmt aber auch beim Schlafen und sogar im Koma nur wenig ab. Wieso das Gehirn auch in diesen Ruhephasen viel Energie benötigt, haben jetzt Wissenschaftler des Weill Cornell Medical College herausgefunden.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Science Advances ging das Team um Camila Pulido und Timothy Ryan davon aus, dass die Synapsen für den hohen Energiebedarf verantwortlich sind. Es handelt sich dabei um die Schaltstellen zwischen den einzelnen Nervenzellen, die elektrische Signale in chemische Botenstoffe umwandeln und damit Informationen zwischen den Zellen übermitteln.
Die einzelnen Hirnzellen speichern diese Neurotransmitter, bis ihre Freisetzung durch einen elektrischen Impuls ausgelöst wird. Zuvor konnte die Forschung bereits belegen, dass dieser Prozess viel Energie benötigt und dass das Gehirn deshalb einen hohen Anteil am Gesamtenergiebedarf eines Menschen hat. Das Team des Weill Cornell Medical College hat nun erstmals den Energiebedarf von ruhenden synaptischen Vesikeln untersucht.
Dazu züchteten die Forscher im Labor Hirnzellen und Synapsen, deren Ruhestoffwechsel sie mit Fluoreszenzmarkern untersuchten.
Die Analyse zeigt, dass die Synapsen und die dort gelagerten Vesikel auch im Ruhezustand ständig Energie benötigen. Dies liegt daran, dass die Membranen der winzigen Bläschen, in denen sich die Neurotransmitter bis zu ihrer Freisetzung befinden, nicht völlig dicht sind und permanent Protonen verlieren. „Dieser Verlust muss dann wiederum durch die V-ATPase ausgeglichen werden, die dafür ständig ATP verbraucht“, so die Autoren.
„Unsere Daten zeigen, dass dieser konstante Protonenausstrom für rund 44 Prozent des ATP-Verbrauchs einer ruhenden Synapse verantwortlich ist. Angesichts der enormen Zahl solcher Nervenenden im Gehirn und der Tatsache, dass dieser Energieverbrauch ständig anhält, bedeutet das eine substanzielle Grundlast für das Gehirn“, erklärt Pulido. Laut Schätzungen sind im Gehirn hunderte Billionen von Synapsen vorhanden, die laut den neuen Erkenntnissen permanent mit Energie versorgt werden müssen.
„Unsere Studie liefert damit eine überzeugende Erklärung dafür, warum unser Gehirn selbst in Ruhe einen so viel höheren Grundumsatz hat als andere Gewebe. Gleichzeitig erklärt es auch, warum diese Nervenendigungen so anfällig gegenüber Versorgungsengpässen sind“, konstatieren die Wissenschaftler.
Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abi9027