Robert Klatt
Eine fleischhaltige Ernährung überfordert den natürlichen Zellschutz des Enzyms Hämoxygenase (HO-1) und erhöht somit das Darmkrebsrisiko.
Kaiserslautern (Deutschland). Laut Daten des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) gehört Darmkrebs neben Lungenkrebs sowie Brust- und Prostatakrebs global zu den drei häufigsten Krebserkrankungen. Als besonders gefährdet gelten Menschen ab 50 Jahren. Zunehmend wird Darmkrebs aber auch bei Menschen im jungen und mittleren Alter zwischen 20 und 50 Jahren diagnostiziert. Als Ursache dafür sieht die Medizin die veränderten Ernährungsgewohnheiten, die die Darmflore verändern. Als besonders riskant gilt ein hoher Konsum von rotem Fleisch. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat rotes Fleisch deshalb bereits 2015 als „potenziell krebserregend“ eingestuft.
Wissenschaftler der Technischen Universität Kaiserslautern (TU Kaiserslautern) um Nina Seiwert haben nun untersucht, welchen Einfluss Häm-Eisen auf die Krebsentstehung hat. Es handelt sich dabei um einen Eisen-Protein-Komplex, der eine wichtige Komponente des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin ist. In roten Fleischsorten ist das für den Sauerstofftransport verantwortliche Hämoglobin in hohen Konzentrationen enthalten.
Laut ihrer Publikation im Magazin Cell Death and Disease haben die Forscher die Effekte von Hämoglobin anhand von Kulturen mit gesunden menschlichen Darmzellen und entartete Darmkrebszellen untersucht. Überdies wurde im Rahmen der Studie eine mögliche toxische Wirkung des Häm-Eisens mit anorganischer Eisenformen wie Eisenchlorid verglichen.
Dabei zeigte sich, dass eine bei fleischhaltiger Ernährung im menschlichen Darm übliche Häm-Eisen-Konzentration die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies fördert und Schäden an der DNA auslöst. Laut Seiwert „waren diese Effekte bei den anorganischen Eisenverbindungen nur gering ausgeprägt.“ Häm-Eisen fördert im Gegensatz zu anorganische Eisen also das Absterben von gesunden Darmzellen.
In einem Kontrollversuch mit Organoiden aus dem Darmgewebe gesunder Mäuse wurden die Ergebnisse bestätigt. Wie Seiwert erklärt, „handelt es sich hierbei quasi um ein Miniorgan, das in Kulturschalen eingebettet in einer Matrix mit speziellem Nährmedium wächst.“ Darmkrebszellen überleben hingegen den Häm-Eisen-Angriff.
Eine Analyse auf zellulärer Ebene zeigt, welche Prozesse in den Darmzellen dabei ablaufen. Häm-Eisen aktiviert demnach einen zellulären Sensor für oxidativen Stress. Die Darmzellen erzeugen dadurch das Enzym Hämoxygenase (HO-1). Dieses ist im Eisenstoffwechsel für den Abbau von Häm-Eisen verantwortlich. Es macht das Häm-Eisen so für den menschlichen Körper verfügbar und reguliert parallel die Konzentration in den Darmzellen. Das Enzym schützt somit die Zellen.
Bei einer gehemmten Produktion des Enzyms Hämoxygenase nimmt die Konzentration reaktiver Sauerstoffspezies signifikant zu, was zu oxidativen DNA-Schäden führt und final den Zelltod auslöst. Laut Co-Autor Jörg Fahrer „illustrieren diese Befunde zusammengenommen, dass freies Häm-Eisen in Zellen toxisch wirkt und HO-1 eine ganz wichtige Schutzfunktion einnimmt.“
Wird dem Körper zu viel Häm-Eisen zugeführt, was bei einer fleischhaltigen Ernährung häufig der Fall ist, reicht laut den Studienergebnissen die Schutzfunktion des Enzyms nicht mehr aus. Die Wissenschaftler konstatieren, dass „Darmkrebszellen allgemein weniger anfällig waren für die schädlichen Effekte des Häm-Eisens.“ Häm-Eisen begünstigte laut den Ergebnissen somit das Wachstum von Tumorzellen im Darm und erhöht damit das Darmkrebsrisiko.
Cell Death and Disease, doi: 10.1038/s41419-020-02950-8