Robert Klatt
Raucher erkranken zwar seltener an Covid-19, müssen bei einer Erkrankung aber häufiger im Krankenhaus behandelt werden. Es soll nun ein Medikament entwickelt werden, das wie der verantwortliche Stoff im Zigarettenrauch Infektionen verhindert.
Hiroshima (Japan). Daten des Krankenhaus La Pitié-Salpêtrière sowie aus Israel und Deutschland zeigten bereits zu Beginn der Covid-19-Pandemie, dass es unter den Covid-19-Patienten etwa 80 Prozent weniger Raucher gab als in der gleichen Alters- und Geschlechtskohorte der Allgemeinbevölkerung. Wieso Rauchen scheinbar vor Covid-19 schützten kann, konnte die Medizin zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht erklären.
Wissenschaftler der Universität Hiroshima haben nun eine mögliche Erklärung für das paradoxe Phänomen geliefert. Laut ihrer im Fachmagazin Nature publizierten Studie untersuchten sie dazu, wie die im Zigarettenrauch enthaltenen Stoffe im Körper des Menschen wirken. Sie entdeckten dabei, dass hochgiftige Kohlenwasserstoffe das Eindringen von SARS-CoV-2 in die menschlichen Zellen teilweise blockieren können. Die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAKs) bilden demnach eine Art Schutz, der die Bildung von ACE-2-Rezeptoren an den Zellaußenwänden reduziert. Das Coronavirus SARS-CoV-2 benötigt diese Rezeptoren zum Andocken, um in das Zellinnere zu gelangen.
Die japanischen Wissenschaftler wollen auf Basis der neuen Erkenntnisse nun ein Medikament entwickeln, dass wie die krebserregenden PAKs die Bildung von ACE-2-Rezeptoren hemmt. Im Gegensatz zum Rauchen soll dies aber funktionieren, ohne dass dabei Schäden an den menschlichen Zellen entstehen.
Außerdem raten die Wissenschaftler explizit davon ab, Zigaretten als Präventionsmittel zum Schutz vor Covid-19 zu nutzen. „Die Frage, ob man quasi zum Raucher werden sollte, um sich vor einer Covid-Infektion zu schützen, kann man als Mediziner nur nachdrücklich mit Nein beantworten“, erklärt auch der Benedikt Lampl, Mediziner und stellvertretender Leiter des Sachgebiets für Infektionsschutz und Hygiene an der Universität Regensburg.
Laut den Forschern der Universität Hiroshima gibt es überdies „deutliche Hinweise darauf, dass Rauchen die Schwere einer Covid-19-Erkrankung erhöht.“ Auch eine in den U.S.A. durchgeführte Studie, die im Fachmagazin JAMA Internal Medicine erschienen ist, kam zu dem Ergebnis, dass Raucher mit Covid-19 häufiger im Krankenhaus behandelt werden müssen und ein höheres Mortalitätsrisiko haben. Demnach scheint Rauchen also das Covid-19-Infektionsrisiko zu senken, führt aber zu schwereren Krankheitsverläufen.
Nature, doi: 10.1038/s41598-021-96109-w
JAMA Internal Medicine, doi: 10.1001/jamainternmed.2020.8360