Robert Klatt
Die per CRISPR-Genschere manipulierten Babys, die im vergangenen Jahr in China geboren wurden, haben eine um 20 Prozent geringere Chance das 76 Lebensjahr zu erreichen. Die Mutation des CCR5-Gens macht sie zwar gegen HIV immun, sorgt aber für eine höhere Anfälligkeit für zahlreiche andere Krankheiten und stört die Proteinproduktion.
Berkeley (U.S.A.). Die Geburt von per CRISPR genetisch veränderten Zwillingen in China hat im vergangenen Jahr für großes Aufsehen gesorgt. Besonders die nicht abschätzbaren Langzeitfolgen des Experiments, bei dem es sich laut Peter Dabrock, dem Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats um einen „unverantwortlichen Menschenversuch“ handelt, sorgten auch in der chinesischen Fachwelt für harsche Kritik. Laut Jiankui He konnte das Ziel, nämlich das die Menschen gegen HIV immun sind zwar erreicht werden, eine nun im Fachmagazin Nature Medicine veröffentlichte Studie kommt jedoch zum Ergebnis, dass die Veränderung der Gene das Risiko an anderen Krankheiten zu sterben deutlich erhöht hat.
Die Mutation des CCR5-Gens ähnelt der natürlich auftretende Mutation Delta 32. Sie verhindert zwar, dass HI-Viren in den Zellen eindringen können, sorgt aber gleichzeitig dafür, dass die per während der künstlichen Befruchtung per Genschere CRISPR/Cas9 veränderten Babys anfälliger für Influenza, den West-Nil-Virus, Grippe und andere Krankheitserreger sind.
Um die Folgen für die Lebenserwartung der beiden Menschen zu untersuchen, haben die Wissenschaftler Daten von 409.693 Briten aus der UK-Biobank analysiert. Es zeigte sich dabei, dass Menschen mit zwei veränderten Kopien des CCR5-Gens eine im Vergleich zu Menschen mit nur einem oder keinem veränderten Gen eine deutlich niedrige Lebenserwartung haben.
Die Chance das 76. Lebensjahr zu erreichen, lag bei betroffenen Personen um etwa 20 Prozent geringer. Die Sterblichkeitsrate bei Personen zwischen 41 und 78 Jahren lag ebenfalls deutlich höher als bei der nicht von der Mutation betroffenen Kontrollgruppe. Neben der höheren Anfälligkeit für Krankheiten könnte auch das Protein, dessen Bauanleitung das bei den Betroffenen manipulierte CCR5-Gen enthält, für die kürzere Lebenserwartung verantwortlich sein, da es für eine Reihe von Funktionen des Körpers eine essentielle Rolle spielt. Außerdem merkten die Wissenschaftler an, dass die Analyse der Datenbank zeigte, dass überraschend wenig Menschen über zwei veränderte Varianten des CCR5-Gens verfügen.
Aus den Ergebnissen der Studie schlussfolgert Rasmus Nielsen, Autor der Studie, dass „sowohl die Zahl der Betroffenen in der Stichprobe als auch die Überlebensrate die gleiche Geschichte erzählen: Menschen mit zwei Kopien dieser Mutation haben eine höhere Sterblichkeit.“
Neben den ethischen Fragen, die sich bei CRISPR-Eingriffen stellen gibt es also auch ungelöste medizinische Probleme, die dafür sorgen, dass der Eingriff, der eigentlich Vorteile bringen soll durch die Mutation in anderen Bereichen Nachteile verursacht.
Xinzhu Wie sieht daher „CRISPR als aktuell noch zu gefährlich an, um Eingriffe in der Keimbahn durchzuführen“. Auch der Deutsche Ethikrat hat sich in seiner kürzlich veröffentlichten Stellungnahme vorerst gegen die klinische Nutzung von CRISPR ausgesprochen und dabei ähnlich wie Wie und Nielsen argumentiert, laut denen klar ist, dass die „Risiken und Folgen der Genschere und der von ihr verursachten Mutationen noch nicht genug erforscht sind“.
Der Erzeuger der beiden per CRISPR manipulierten Babys Jiankui He wurde inzwischen von seiner Universität entlassen. Auch weitere Forschungen an anderen Universitäten wurden ihm von der Regierung untersagt.