Robert Klatt
Der Deutsche Ethikrat hat in seiner neusten Stellungnahme erklärt, nicht mehr generell gegen den Einsatz der Genschere Crispr zu seien. Aktuell ist es für die klinische Nutzung laut dem Gremium allerdings noch deutlich zu früh. Stattdessen fordern die Experten, dass die Bundesregierung unter der unter der Ägide der Vereinten Nationen darauf hinarbeitet international geltende Standards für den Einsatz der Genschere zu schaffen.
Berlin (Deutschland). Im vergangenen Jahr hat der chinesische Genforscher He Jiankui unter Wissenschaftlern für große Empörung gesorgt, da er mit der Genschere Crispr die Gene ungeborener Zwillinge so verändert haben will, dass die Babys gegen HIV immun sind. In anderen Ländern finden zwar ebenfalls Experimente mit überzähligen Embryonen statt, Menschen dürfen daraus aber nicht entstehen. Obwohl die Genmanipulation am Menschen besonders aufgrund ihrer kaum abschätzbaren Langzeitfolgen äußerst kritisch angesehen wird, gab es in China 2018 noch kein Gesetz, welches das fragwürdige Experiment verboten hätte.
Neben den medizinischen Risiken befürchten Kritiker von Crispr vor allem soziale Folgen durch sogenannte „Designer-Babys“, bei denen die Oberschicht wie im Science-Fiction-Klassiker Gattaca ihre Kinder in einem Konfigurator zusammenstellen und optimieren kann. Nun hat der Deutsche Ethikrat in einer 230 seitigen Stellungnahme (PDF) seine Position zu Keimbahneingriffen abgegeben. Das 26-köpfige Expertengremium eruiert in seiner Stellungnahme nicht bloß Chancen und Risiken der molekularbiologischen Methode Crispr, sondern bewertet das Verfahren anhand von acht weiteren ethischen Kategorien. Dazu gehört unter anderem die Achtung der Menschenwürde sowie der Schutz von Leben und Integrität.
In seiner neuen Stellungnahme erklärt der Ethikrat, dass „die Keimbahn nicht mehr unantastbar ist, von Eingriffen wegen ihrer ethischen Folgen derzeit aber abzusehen sei.“ Dabei kritisiert der Ethikrat vordergründig nicht die Möglichkeit der Genoptimierung an sich, sondern die unausgereiften Verfahren und die hohe Gefahr unerwünschter gesundheitlicher Folgen. Aus Sicht des Ethikrats ist daher ein international geltenden Moratoriums nötig, auf dessen Schaffung die Bundesregierung unter der Ägide der Vereinten Nationen hinwirken soll. Den Entscheidungsbaum (PDF) des Ethikrats zeigt dabei eine mögliche zeitliche Abfolgen, die beschreibt welche Schritte bis zum klinischen Einsatz der Genschere Crispr nötig sind.
Die Diskussion um den Einsatz von Crispr ist daher laut der Stellungnahme des Expertengremiums keine nationale Frage, sondern kann nur gelöst werden, wenn ein noch zu schaffendes internationales Institut Standards für Keimbahneingriffe am Menschen erarbeiten würde, an die sich auch Länder wie China halten, in denen Crispr bereits klinisch eingesetzt wird. Neben den medizinischen Folgen soll die Institution auch die Auswirkungen auf die Gesellschaft untersuchen.
Zusammengefasst vertritt der Ethikrat die Position, dass Eingriffe nur dann durchgeführt werden dürfen, wenn die eine hinreichende Sicherheit und Wirksamkeit des Verfahrens garantiert ist. Einigkeit herrscht innerhalb des Gremiums aber auch bei diesem Punkt nicht. Einige Stimmen sprechen sich generell gegen den Einsatz von Crispr und ähnlichen Verfahren aus, da sie die Meinung vertreten, dass mögliche Schäden den potentiellen Nutzen deutlich übertreffen.