Robert Klatt
Die Pille für den Mann erzielte in Tierversuchen eine Wirksamkeit von 99 %. Klinische Studien sollen bald starten.
Minneapolis (U.S.A.). Wissenschaftler der University of Minnesota haben auf dem Frühlingstreffen der American Chemical Society (ACS) ein orales Verhütungsmittel für den Mann vorgestellt. Das Mittel YCT529 erreichte in Studien mit Mäusen eine Wirksamkeit von 99 Prozent, ohne feststellbare Nebenwirkungen. Das Team um Abdullah Al Noman bezeichnet dies als eine wichtige Entwicklung hin zu einer gerechteren Verantwortungsverteilung bei der Verhütung.
„Viele Studien haben gezeigt, dass Männer daran interessiert sind, die Verantwortung für die Empfängnisverhütung mit ihren Partnerinnen zu teilen", erklärt Noman der französischen Nachrichtenagentur AFP. Bisher hatten Männer neben Kondomen jedoch nur eine Vasektomie als Option.
Die Antibabypille für die Frau beeinflusst den Menstruationszyklus über Hormone. Die Medizin versuchte daher ein Äquivalent für Männer zu entwickeln. Dieses sollte das männliche Sexualhormon Testosteron beeinflussen. In Studien zeigten sich jedoch signifikante Nebenwirkungen wie Depressionen, Gewichtszunahme und hohe Werte beim sogenannten Low-Density-Lipoprotein. Die Antibabypille für Frauen kann zwar auch schwere Nebenwirkungen, darunter etwa Thrombosen auslösen, diese sind aber deutlich seltener.
Anstatt Hormone zu nutzen, dockt YCT529 an den Retinsäure-Rezeptor (RAR) alpha an. Dieses Protein spielt beim Mann eine entscheidende Rolle bei der Spermienbildung. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, muss RAR-alpha mit Retinsäure interagieren können. Das Mittel YCT529 kann diesen Prozess jedoch blockieren, was bei den Versuchen mit den Mäusen dazu führte, dass die Tiere steril waren.
Nachdem die Tiere die Verhütungspille vier Wochen erhalten hatten, reduzierte sich ihre Spermienanzahl stark. Eine Befruchtung konnte so zu 99 Prozent unterbunden werden. Etwa vier bis sechs Wochen nach der Einnahme der Pillen waren die Tiere wieder zeugungsfähig. Nebenwirkungen konnten die Forscher anhand der Vitalwerte, des Gewichts, des Appetits und der Aktivität der Mäuse nicht beobachten.
Wie die Forscher berichten, war die Entwicklung des Mittels YCT529 sehr komplex. Sie mussten zuerst herausfinden, welche Verbindung RAR-alpha blockieren kann. Zudem musste verhindert werden, dass der Wirkstoff mit den ähnlichen Rezeptoren RAR-beta und RAR-gamma interagieren kann. Dies gelang mit einem Computermodell, dass die beste molekulare Struktur identifizierte. „Wenn wir wissen, wie das Schlüsselloch aussieht, können wir auch einen Schlüssel herstellen“, erklärt Noman.
Klinische Studien mit der Pille für den Mann sollen noch im laufenden Jahr starten. „Ich bin optimistisch, dass wir schnell vorankommen werden“, so Gunda Georg. Laut ihr ist eine Markteinführung in spätestens fünf Jahren realistisch. „Es gibt keine Garantie, dass es klappt. Aber ich wäre wirklich überrascht, sollten wir nicht auch bei Menschen eine Wirksamkeit feststellen“, so Georg.