Robert Klatt
Die Mundflora von „Dampfern“ enthält Mikroorganismen, die mit einem erhöhten Risiko für Zahnfleischerkrankungen wie Parodontitis in Verbindung stehen.
New York (U.S.A.). In den letzten Jahren sind viele Raucher auf E-Zigaretten umgestiegen, weil diese als weniger schädlich als herkömmliche Zigaretten aus Tabak gelten. In der Regel verdampfen diese sogenannten Liquids (Flüssigkeiten) aus Propylenglykol und Glycerin, denen Nikotin und Geschmackstoffe zugesetzt sind. Inzwischen haben zahlreiche Studien jedoch belegt, dass auch das vermeintlich unproblematische „Dampfen“ die Gesundheit negativ beeinflussen kann.
Wissenschaftler der New York University haben nun untersucht, ob und wie sich E-Zigaretten auf die Mundflora auswirken. Sie entnahmen dazu Plaqueproben von 27 Rauchern, 28 „Dampfern“ und 29 Nichtrauchern und untersuchten die darin enthaltenen Bakterien. Zudem wurde laut der Publikation im Fachmagazin mBio erfasst, ob die Probanden Anzeichen einer Parodontitis zeigen. Es handelt sich dabei um eine chronische Zahnfleischentzündung, die von Bakterien verursacht wird. Um den Verlauf der Erkrankung zu untersuchten, entnahmen die Wissenschaftler um Scott Thomas nach sechs Monaten erneut Plaqueproben der Probanden und erfassten den Zustand der Zähne und des Zahnfleisches.
„Unsere Daten deuten darauf hin, dass der Konsum von E-Zigaretten ein stabiles parodontales Mikrobiom fördert, das zwischen dem von konventionellen Zigarettenrauchern und Nichtrauchern liegt und einzigartige Merkmale aufweist, die die Mundgesundheit des Wirts auf andere Weise beeinflussen können als der konventionelle Zigarettenkonsum“, erklären die Wissenschaftler.
Ihre Daten zeigen, dass bestimmte Bakterien bei allen Probandengruppen vorkommen. Einige Bakterien kommen aber auch entweder nur in der Mundflora von Nichtrauchern, von Dampfern oder von Rauchern vor. Das Mund-Mikrobiom der Dampfer ist dem Mund-Mikrobiom von Rauchern dabei deutlich ähnlicher als dem Mund-Mikrobiom von Nichtrauchern.
Bei einem Teil der Probanden verschlimmerte sich die Parodontose im Studienverlauf. Bei den Dampfern litten zu Studienbeginn drei Probanden unter einer milden Parodontose. Nach sechs Monaten verschlimmerte sich diese bei einer Person zu einer moderaten Parodontose. Zudem litt ein Dampfer zu Beginn an einer moderaten Parodontose, die sich im Studienlauf zu einer schweren Parodontose weiterentwickelte. Bei den Rauchern und Nichtrauchern gab es zu Studienbeginn jeweils vier Probanden mit einer moderaten Parodontose, die sich dann im Verlauf zu einer schweren Parodontose entwickelte.
Wie die Wissenschaftler erklären, lassen sich diese Ergebnisse jedoch nicht klar vergleichen, weil die Stadien der Krankheit zu Studienbeginn zwischen den drei Gruppen nicht gleichmäßig verteilt waren. In der Gruppe der Raucher gab es etwa zu Studienbeginn keinen Probanden mit milder Parodontose. Außerdem unterscheiden sich die demografischen Merkmale der Gruppe. Der Konsum von Zigaretten oder E-Zigaretten ist also nur einer der möglichen Einflussfaktoren für die Entwicklung der Parodontose.
Zusätzliche Analysen der Bakterien in den Plaqueproben deuten jedoch darauf hin, dass Dampfen und Rauchen tatsächlich den Krankheitsverlauf der Parodontose beeinflussen. Mehrere Bakteriengattungen, darunter Saccharibacteria, Selenomonas und Leptotrichia, von denen es bereits bekannt ist, dass sie mit Zahnfleischerkrankungen in Verbindung stehen, kamen bei beiden Gruppen deutlich häufiger vor als bei Nichtrauchern. In besonders hoher Anzahl lebten diese Mikroorganismen in den Plaqueablagerungen von E-Zigaretten-Konsumenten.
Die Wissenschaftler bemerkten zudem, dass Botenstoffe des Immunsystems (Zytokine) sich bei Rauchern, Dampfern und Nichtrauchern signifikant voneinander unterscheiden. TNFα, ein Botenstoff, der Entzündungen auslöst, war bei Dampfern stark erhöht. Die Zytokine Interleukin-4 und Interleukin-1β waren hingegen bei E-Zigaretten-Benutzern niedriger.
„Interleukin-4 ist bei Parodontitis tendenziell reduziert und steigt nach einer Behandlung wieder an. Das deutet darauf hin, dass Spezies, die im parodontalen Mikrobiom vorhanden sind, die Immunantwort des Wirts aktiv unterdrücken“, erklären die Autoren. Sie gehen deshalb davon aus, dass E-Zigaretten Bakterien fördern, die die Immunregulatoren aus dem Gleichgewicht bringen.
„Der Gebrauch von E-Zigaretten ist eine relativ neue menschliche Gewohnheit“, sagt Thomas. „Im Gegensatz zum Rauchen, das seit Jahrzehnten umfassend untersucht wird, wissen wir nur wenig über die gesundheitlichen Folgen des E-Zigarettenkonsums und beginnen gerade erst zu verstehen, wie sich das einzigartige Mikrobiom, das durch das Dampfen gefördert wird, auf die Mundgesundheit und Krankheiten auswirkt“, konstatieren die Forscher. Sie wollen deshalb die möglichen Zusammenhänge zwischen E-Zigaretten und Zahnfleischentzündungen erneut mit besser vergleichbaren Gruppen untersuchen.
mBio, doi: 10.1128/mbio.00075-22