Robert Klatt
Metallische Feinstaubpartikel schädigen die Mitochondrien (Kraftwerke) des Herzens und erhöhen dadurch das Risiko für schwere Herzkrankheiten. Schäden wurden bereits bei einem nur dreijährigen Kind aus einer stark belasteten Stadt nachgewiesen.
Lancaster (England). Feinstaub konnte bei Menschen aus stark belasteten Regionen bereits im Gehirn und sogar in der Plazenta schwangerer Frauen nachgewiesen werden. Die wenige Nanometer kleinen Partikel werden beim Einatmen aufgenommen und gelten als Risikofaktor für Lungenkrebs, Asthma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und weitere Krankheiten. Erzeugt wird Feinstaub durch Bremsen- und Reifenantrieb sowie Auspuffabgase vor allem im Verkehr.
Wissenschaftler der Lancaster University haben nun erstmals belegt, dass Feinstaub sogar tief in die Herzzellen des Menschen gelangen kann. Laut der im Fachmagazin Environmental Research publizierten Studie untersuchten sie dafür zwei Herzen von Opfern eines Verkehrsunfalls aus Mexico City, die durch starke Luftverschmutzung belastet ist. Die Forscher um Studienleiterin Barbara Maher haben bereits zuvor belegt, dass Nanopartikel aus der Luft über den Blutkreislauf in das Herzgewebe gelangen. Es können sich so bei Menschen aus Städten mit hoher Feinstaubbelastung Milliarden Nanopartikel ansammeln.
Eine Untersuchung des Herzgewebes der beiden Unfallopfer mit einem Elektronenmikroskop zeigt nun, dass die rundlichen, 15 bis 40 Nanometer kleinen Partikel bis vor allem in den Mitochondrien der Herzzellen anreichern. Mitochondrien stellen durch das Molekül ATP den Zellstoffwechsel sicher und gelten deshalb als Kraftwerke der Zellen.
Die detaillierte Analyse der Nanopartikel zeigt, dass in den Herz-Mitochondrien vor allem metallischer Feinstaub aus Eisen, Aluminium und Titan vorkommt. Laut Maher „entspricht die Form, Größe und Zusammensetzung diese in den Mitochondrien gefundenen eisenreichen Nanopartikel exakt denen, die in der Luftverschmutzung der Städte und Straßenränder so häufig und allgegenwärtig sind.“
Bei der Untersuchung der Herzen entdeckten die Wissenschaftler in den mit Nanopartikeln belasteten Mitochondrien bereits Membranschäden und Deformierungen. Das Team um Maher kommt deshalb zu dem Schluss, dass Feinstaub im Herzen Zellschäden auslösen kann. Dies ist besonders kritisch für die Gesundheit des Menschen, weil die Mitochondrien des Herzens eine essenzielle Funktion besitzen und Schäden somit auch weitere Herzzellen betreffen.
Maher erklärt, dass „man schon seit Langem weiß, dass hohen Feinstaubwerten ausgesetzte Menschen häufiger und schwerer unter Herzkrankheiten leiden.“ Der nun erbrachte Nachweis von metallischen Feinstaubpartikeln in den Herz-Mitochondrien zeigt erstmals, welche Ursache dafür verantwortlich ist. Bei den untersuchten Unfallopfern aus Mexico City zeigte sich die Schädigung des Herzens unter anderem in einem neunfach erhöhten Spiegel des Proteins PrPc, einem Indikator für Zellstress.
Die Studienergebnisse stimmen damit mit der Vermutung überein, dass bioreaktive Metalle wie Aluminium und Eisen die Entstehung aggressiver Moleküle in den Zellen begünstigen. Laut Maher „deutet der Fund solcher Metallpartikel im Herz eines dreijährigen Kindes darauf hin, dass die Feinstaubbelastung schon früh erste Folgen hat, die sich dann aber erst später im Leben klinisch manifestieren.“
Die Studie unterstreicht damit die Notwendigkeit die Emissionen von Feinstaub im Verkehr und in der Industrie deutlich zu begrenzen. Lilian Calderon-Garciduenas von der University of Montana in Missoula, Co-Autorin erklärt, dass „die Belastung durch diese Form der Luftverschmutzung ein vermeidbarer Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist.“ Ein möglicher Ansatz zur Verringerung von Feinstaub im Verkehr ist zum Beispiel das sogenannte Dual-Fuel-Brennverfahren der TU Wien, bei dem Diesel teilweise durch Bio-Ethanol ersetzt wird. Dier reduziert die Feinstaub-Emissionen um bis zu 99 Prozent.
Environmental Research, doi: 10.1016/j.envres.2020.109816