Amanita muscaria

Fliegenpilze haben großes Potenzial in der Medizin

Robert Klatt

Fliegenpilz (Amanita muscaria) )kcotS ebodAxeL(Foto: © 

Der Fliegenpilz (Amanita muscaria) ist vor allem für sein Gift bekannt. Seine psychoaktive Wirkung könnte jedoch großes Potenzial in der Medizin bieten.

Berlin (Deutschland). Der Fliegenpilz (Amanita muscaria), in Deutschland auch als Roter Fliegenpilz bekannt, ist eine Pilzart aus der Gattung der Wulstlinge. In der Menschheitsgeschichte haben unterschiedliche Mittel mit Fliegenpilzanteilen, darunter auch getrocknete Fliegenpilze im Ganzen oder als Pulver, eine hohe historische und kulturelle Bedeutung. Antike Kulturen haben den Fliegenpilz etwa wegen seiner Vielzahl psychoaktiven Inhaltsstoffen geschätzt, die veränderte Bewusstseinszustände auslösen können und entspannend wirken sollen.

Microdosing von Fliegenpilzen in der spirituellen Szene

In der esoterischen und spirituellen Szene ist das sogenannte Microdosing von Fliegenpilzen, also die Einnahme kleiner Dosen, noch heute beliebt. Die Konsumenten können dazu Fliegenpilze kaufen, etwa bei spezialisierten Internethändler. In Deutschland ist sowohl der Erwerb als auch der Konsum der Fliegenpilzprodukte legal und verstößt gegen keine Gesetze.

Laut den Erfahrungsberichten der Konsumenten verursachen die geringen Konsummengen keine negativen Auswirkungen, sondern verursachen unterschiedliche positive Effekte. Dies bedeutet laut dem aktuellen wissenschaftlichen Stand jedoch nicht, dass der Konsum von Fliegenpilzen und Produkten mit Fliegenpilzanteile keinerlei Gesundheitsprobleme auslösen kann.

  • Einige Individuen berichten über eine gesteigerte Fähigkeit zur zwischenmenschlichen Verbindung und Empathie durch Microdosing. Dies kann dazu beitragen, die Qualität sozialer Interaktionen zu erhöhen und das Verständnis für Mitmenschen zu vertiefen.
  • Zahlreiche Nutzer berichten während des Microdosings von einer gesteigerten Kreativität und einem verbesserten Problemlösungsvermögen. Dies kann sich in verschiedenen Bereichen manifestieren, von Kunst und Musik bis hin zu beruflichen Herausforderungen.
  • Für manche Anwender kann Microdosing eine intensivere Verbindung mit ihrem inneren Selbst und eine gesteigerte Bereitschaft zum spirituellen Wachstum fördern. Es kann dazu beitragen, eingefahrene Muster zu überwinden und neue Lebensperspektiven zu erschließen.
  • Manche Konsumenten berichten davon, dass Mikrodosierungen von Fliegenpilzen ihnen dabei geholfen haben, ihre geistige Klarheit zu steigern und die Konzentration zu erhöhen. Dieser Effekt ist besonders relevant in Situationen, die Stress oder hohe Anforderungen mit sich bringen, da er dabei hilft, einen fokussierten Geisteszustand aufrechtzuerhalten.
  • Während des Mikrodosierens von Fliegenpilzen erleben viele Menschen eine generelle Steigerung ihrer Stimmung und eine Reduzierung des Stressniveaus. Diese Effekte können dazu beitragen, Angstzustände zu mindern und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern.

Wie gefährlich sind Fliegenpilze für den Menschen?

Laut Quarks.de gibt es nur wenige Berichte zu Todesfällen, die eindeutig auf den Konsum von Fliegenpilzen zurückzuführen sind. Die meisten Vergiftungsfälle führen zu keiner dauerhaften Beeinträchtigung der Gesundheit und die Genesung ist in der Regel innerhalb eines Tages abgeschlossen. Menschen sollten dennoch nicht regelmäßig und nicht in größeren Dosen Fliegenpilze konsumieren, weil dies laut Tierversuchen der Gesundheit schaden könnte.

Tierversuche haben gezeigt, dass die Behandlung mit Ibotensäure und Muscimol bei Nagetieren zu Schlaganfällen führen kann. Aufgrund der variierenden Konzentrationen dieser Substanzen im Pilz können die Auswirkungen des Konsums stark variieren. Im Falle einer Vergiftung sollte unverzüglich ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden, um eine mögliche weitere Giftaufnahme zu verhindern.

Fliegenpilze in der Wissenschaft und Medizin

Inzwischen beschäftigt sich auch die Wissenschaft zunehmend mit Pilzen und deren medizinischen Anwendungsmöglichkeiten, darunter etwa Zauberpilze (Magic Mushrooms), deren psychoaktiver Stoff Psilocybin bereits zur Behandlung unterschiedlicher Krankheiten verwendet wird und dem bekannten Fliegenpilz. Dieser enthält eine Vielzahl chemischer Verbindungen, die sowohl seine bekannten psychoaktiven als auch toxischen Eigenschaften auslösen. Die Hauptinhaltsstoffe Fliegenpilzes sind:

  • Muscimol ist die bekannteste psychoaktive Verbindung im Fliegenpilz. Sie wirkt auf das zentrale Nervensystem, indem sie als Agonist an den GABA-A-Rezeptoren bindet. Diese Bindung führt zu einer erhöhten Hemmung neuronaler Aktivität, was Halluzinationen, veränderte Bewusstseinszustände und Entspannung hervorrufen kann. Muscimol hat eine ähnliche Struktur wie GABA (Gamma-Aminobuttersäure), was seine Fähigkeit zur Beeinflussung des Gehirns erklärt. In höheren Dosen kann Muscimol auch Schläfrigkeit, Sedierung und in extremen Fällen Koma verursachen.
  • Ibotensäure ist ein Vorläufer von Muscimol und selbst ebenfalls psychoaktiv. Ibotensäure wird im Körper durch Decarboxylierung zu Muscimol umgewandelt, ein Prozess, der vor allem im Verdauungstrakt stattfindet. Ibotensäure wirkt als Agonist an den Glutamat-Rezeptoren, was zu exzitatorischen Effekten im Nervensystem führt. Diese exzitatorische Wirkung kann initial zu Erregung und Hyperaktivität führen, bevor die beruhigenden Effekte von Muscimol einsetzen. Aufgrund ihrer Struktur kann Ibotensäure auch neurotoxische Effekte haben, wenn sie in hohen Konzentrationen vorkommt.
  • Muscazon ist eine weniger bekannte Verbindung im Fliegenpilz, die chemisch mit Muscimol verwandt ist. Wie Muscimol wirkt Muscazon auf das zentrale Nervensystem, jedoch in geringerem Maße. Die genaue Wirkweise von Muscazon ist noch nicht vollständig erforscht, doch es wird vermutet, dass es ebenfalls an GABA-Rezeptoren bindet und eine schwächere, aber ähnliche Wirkung wie Muscimol hat. Muscazon trägt somit zur Gesamtheit der psychoaktiven Effekte des Fliegenpilzes bei, wenn auch weniger stark ausgeprägt.
  • Muscarin ist toxisch und kann eine cholinerge Vergiftung verursachen. Muscarin bindet an muskarinische Acetylcholinrezeptoren, was eine Überstimulation des parasympathischen Nervensystems zur Folge hat. Dies führt zu Symptomen wie Speichelfluss, Schwitzen, Tränenfluss, Magen-Darm-Beschwerden und in schweren Fällen auch zu Bradykardie (verlangsamter Herzschlag) und Hypotension (niedriger Blutdruck). Trotz seiner potenziell gefährlichen Wirkungen ist Muscarin im Fliegenpilz nur in geringen Mengen vorhanden, was seine Rolle als Haupttoxikum des Pilzes relativiert.
  • Betainsäuren sind Pigmente, die zur auffälligen Farbgebung des Fliegenpilzes beitragen. Diese Verbindungen haben keine bekannten psychoaktiven oder toxischen Wirkungen, sind aber biochemisch interessant, da sie antioxidative Eigenschaften besitzen. Betainsäuren können die Zellen vor oxidativem Stress schützen, was ihre potenzielle Rolle in der Biochemie des Pilzes hervorhebt. Ihre Hauptbedeutung liegt jedoch in ihrer ästhetischen Rolle, da sie zum charakteristischen roten Erscheinungsbild des Fliegenpilzes beitragen.

Zusätzlich zu diesen Hauptinhaltsstoffen enthält der Fliegenpilz auch weitere chemische Verbindungen in kleineren Mengen, deren spezifische Wirkung noch nicht vollständig erforscht ist.

Potenzial von Fliegenpilzen in der Medizin

In den letzten Jahren haben unterschiedliche Studien untersucht, welches Potenzial Fliegenpilze in der Medizin haben. Hierbei ist anzumerken, dass mit Fliegenpilzen bislang kaum klinische Studien durchgeführt wurden. Es ist daher noch nicht bekannt, ob alle entdeckten, positiven Wirkungen auch auf den Menschen übertragen werden können.

  • Eine im Fachmagazin Bio-protocol publizierte Studie, zeigt, dass Muscimol die Aktivität des zentralen Nervensystems unterdrücken kann. In der Studie hat dies das Verhalten von Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster) beeinflusst, deren Angstzustände reduziert und den Schlaf verbessert.
  • Muscimol kann den Dopaminstoffwechsel im Hypothalamus, eine Abschnitt des Zwischenhirns (Diencephalon) bei Ratten modulieren. Laut der Publikation im Fachmagazin Experientia zeigt dies, dass der potente GABA-Rezeptor-Agonist unterschiedliche neurochemischer Prozesse im Gehirn beeinflusst.
  • Laut einer Publikation im Canadian Journal of Physiology and Pharmacology reduziert Muscimol systemische Entzündungsreaktionen im Körper, indem es die entzündungsfördernden Zytokinen hemmt und die entzündungshemmende IL-10 erhöht. Die schützenden Effekte von Muscimol bestehen unabhängig von GABAergen und cholinergen Rezeptoren.
  • Eine Publikation des National Institutes of Health (NIH) zeigt, dass Muscimol potenziell beruhigende und angstlösende Eigenschaften besitzt, die durch eine starke Wirkung auf die neuronale Hemmung ausgelöst werden. Laut den Wissenschaftlern belegt dies, dass der Inhaltsstoff des Fliegenpilzes sich zur Behandlung von Angstzuständen und Schlafstörungen eignen könnte.
  • Eine im Fachmagazin Annals of Neurology publizierte Studie hat untersucht, ob Muscimol sich zur Behandlung der Huntington-Krankheit eignet. In der Studie haben zehn Menschen Muscimol oder ein Placebo oral eingenommen. Die motorischen oder kognitiven Funktionen der Probanden haben sich durch den Fliegenpilzinhaltsstoff nicht verbessert. Die Chorea bei einem schwer hyperkinetischen Patienten nahm aber deutlich ab.

In Kombination mit einer Vielzahl weiterer Studien ist davon auszugehen, dass die Inhaltsstoffe von Fliegenpilzen in der Medizin primär bei diesen Problemen helfen können:

  • Die Wirkstoffe Muscimol, Ibotensäure und Muscarin haben beruhigende und psychoaktive Effekte auf das zentrale Nervensystem. Laut unterschiedlichen Studien könnten sie deshalb bei der Behandlung von Angstzuständen und Depressionen helfen. Frühe Studien deuten darauf hin, dass kontrollierte Dosen von Amanita muscaria-Extrakten alternative Ansätze für psychische Gesundheitsinterventionen bieten könnten. Muscimol bindet an die GABA-Rezeptoren im Gehirn, unterdrückt das zentrale Nervensystem und zeigt dadurch vielversprechende Ergebnisse zur Reduzierung von Angstzuständen sowie zur Förderung von Entspannung und Schlaf.
  • Neben den möglichen psychologischen Vorteilen wird Amanita muscaria auch wegen seiner potenziellen entzündungshemmenden Eigenschaften untersucht. Einige Studien weisen darauf hin, dass spezifische Verbindungen innerhalb von Amanita muscaria die entzündlichen Reaktionen im Körper reduzieren könnten, was neue Forschungsmöglichkeiten für Autoimmunerkrankungen und verwandte Zustände eröffnet.
  • Schmerzmanagement ist ein weiteres medizinisches Forschungsfeld. Muscimol zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung verschiedener Schmerzarten, einschließlich Muskelverspannungen und neuropathischer Schmerzen.

Trotz der mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhandenen, positiven medizinischen Eigenschaften der Fliegenpilze sollten diese laut Gesundheitsexperten nicht ohne Rücksprache mit einem Arzt zur Selbstmedikamentation verwendet werden, weil die Forschung die Wirkung und die potenziellen Nebenwirkungen noch nicht vollumfänglich untersucht hat.

Bio-protocol, doi: 10.21769/BioProtoc.3982

Experientia, doi: 10.1007/BF01969608

Canadian Journal of Physiology and Pharmacology, doi: 10.1139/cjpp-2021-0682

Annals of Neurology, doi: 10.1002/ana.410040316

Spannend & Interessant
VGWortpixel