Robert Klatt
Ein neuer Wirkstoffcocktail hat bei Fröschen nach einer Amputation zur Bildung eines neuen Beins geführt. In Zukunft könnte die Behandlungsmethode auch die Regenerationsfähigkeit des Menschen verbessern.
Medford (U.S.A.). Die Regenerationsfähigkeit des Menschen ist in den meisten Fällen auf die Bildung von Narbengewebe über der Wunde beschränkt. Einige Tierarten, darunter Eidechsen, Salamander, Seesterne und Krebs können hingegen manche Gliedmaßen komplett regenerieren. Die beeindruckendste Regenerationsfähigkeit hat wohl der Axolotl (Ambystoma mexicanum), ein Lurch, der auch Organe vollständig wiederherzustellen kann.
Die Wissenschaft beschränkte sich meist auf die Untersuchung von Tieren mit einer natürlich vorhandenen hohen Regenerationsfähigkeit. Nun haben Forscher der Tufts University erforscht, ob die Neubildung von Gliedmaßen auch in Tieren ausgelöst werden kann, die diese Fähigkeit eigentlich nicht besitzen.
Dazu benutzten sie laut ihrer Publikation im Fachmagazin Science Advances erwachsene Krallenfrösche (Xenopus laevis), denen sie jeweils ein Hinterbein amputierten. Um die Wunde mit dem Testwirkstoff versorgen zu können, entwickelte das Team um Nirosha Murugan einen Bioreaktor aus Seidenproteinen und Silikon. Diese kleine Kappe („BioDome“) wurde oberhalb der Wunde fixiert.
Über den BioDome konnte den Fröschen eine Mischung aus fünf regenerationsfördernden Substanzen für 24 Stunden verabreicht werden. Wie die Forscher erklären, erfüllt jeder Wirkstoff einen speziellen Zweck. Sie stimulieren das Wachstum von Muskeln, Nervenfasern und Blutgefäßen und hemmen die Bildung von narbenbildendem Kollagen sowie Entzündungsprozesse.
18 Monate nach der Behandlung konnten die Wissenschaftler bei einem Großteil der Tiere ein starkes Gewebewachstum dokumentieren, das zu einem fast vollständigen Bein führte. Die Knochenstruktur der regenerierten Gliedmaßen ähnelte dem ursprünglichen Bein. Die zehenartigen Strukturen des Froschbeins bildete sich jedoch nur teilweise neu.
Trotzdem erhielten die Frösche durch die Behandlung wieder funktionstüchtige Gliedmaße samt Nerven, die auf Berührungsreize reagierten und zum Schwimmen eingesetzt werden können. „Es war aufregend zu sehen, wie die von uns ausgewählten Wirkstoffe dazu beigetragen haben, eine fast vollständige Gliedmaße zu regenerieren“, erklärt Murugan. Laut dem Team handelt es sich bei dem Fünf-Wirkstoff-Cocktail um den wohl wichtigsten Fortschritt in diesem Forschungsbereich.
„Die Tatsache, dass es nur einer kurzen Exposition gegenüber den Wirkstoffen bedurfte, um einen monatelangen Regenerationsprozess in Gang zu setzen, deutet darauf hin, dass Frösche und vielleicht auch andere Tiere über schlummernde Regenerationsfähigkeiten verfügen, die in Gang gesetzt werden können“, konstatiert Murugan. Die Wissenschaftler konnten bereits erste Hinweise darauf finden, welche Vorgänge ihre Behandlung in den Tieren ausgelöst hat. Laut molekularen Analysen hat der Wirkstoffcocktail in den ersten Tagen der Behandlung bekannter Systeme aktiviert, die sonst nur bei Embryo aktiv sind, um die Körperstrukturen zu bilden.
Die Studie könnte somit die Basis für Medikamente sein, die die Regenerationsfähigkeit beim Menschen verbessern. Auch der BioDome scheint die Regenerationsfähigkeit entscheidend mitbeeinflusst zu haben. „Bei Säugetieren sind Verletzungen normalerweise der Luft ausgesetzt oder kommen mit Substanzen in Berührung und es kann deshalb Tage bis Wochen dauern, bis sie sich mit Narbengewebe schließen. Die Verwendung der BioDome-Kappe kann in den ersten 24 Stunden hingegen Bedingungen herstellen, die es zusammen mit den richtigen Medikamenten ermöglichen, dass der Wiederaufbauprozess ohne die Störung durch Narbengewebe abläuft“, erklärt David Kaplan.
Nun wollen die Forscher die Wirkstoff- und Wachstumsfaktorkombinationen optimieren. In Zukunft sollen Experimente mit Säugetieren statt Amphibien erfolgen. „Wir werden testen, wie diese Behandlung bei Säugetieren angewendet werden könnte. Die Abdeckung der offenen Wunde mit einer flüssigen Umgebung unter dem BioDome könnte mit dem richtigen Medikamentencocktail die notwendigen ersten Signale liefern, um Regenerationsprozesse in Gang zu setzen“, erklärt Michael Levin. Ob und wann die Behandlungsmethode beim Menschen genutzt werden kann, ist aber noch offen.
Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abj2164