Robert Klatt
Die Nano-Mind-Technik kann Gedanken und Verhalten durch eine Kombination aus Nanopartikeln und Magnetfeldern fernsteuern. Die „Gedankenkontrolle“ soll laut den Entwicklern in Zukunft bei Therapien von neurologische Erkrankungen helfen.
Seoul (Südkorea). Die Forschung arbeitet seit Langem an Methoden, mit denen sich das Verhalten von Tieren und Menschen fernsteuern lässt. Bisher wurden dazu vor allem Elektroden verwendet, die mit dem Gehirn des Versuchsobjekts und einem externen System verbunden sind. Forscher des Institute for Basic Science (IBS) um Jinwoo Cheon haben nun das sogenannte Nano-Mind (Magnetogenetic Interface for Neurodynamics) vorgestellt, das ohne Kabel auskommt. Laut ihnen liegt der größte Vorteil in der neuen Technik darin, dass durch die fehlenden Kabel keine Störfaktoren vorhanden sind.
Laut der Publikation im Fachmagazin Nature Nanotechnology wurde Nano-Mind an Mäusen erprobt. Den Tieren wurden zunächst Nanopartikel verabreicht. Anschließend konnten die Forscher mithilfe von Magnetfeldern in das Verhalten der Tiere eingreifen und steuern, ob diese mehr oder weniger Nahrung aufnehmen, sich um ihre Kinder kümmern oder die Gesellschaft von Artgenossen aufzusuchen. Es handelt sich bei Nano-Mind also um eine simple Form der Gedankenkontrolle, die es erlaubt, im Gehirn bestimmte Neuronen fernzusteuern.
„Dies ist die weltweit erste Technologie, mit der bestimmte Hirnregionen durch Magnetfelder frei gesteuert werden können. Wir gehen davon aus, dass die Technologie in der Forschung zum besseren Verständnis von Gehirnfunktionen beiträgt, aber auch für hochentwickelte künstliche neuronale Netze oder Gehirn-Computer-Interfaces genutzt werden kann. Auch bei neuartigen Behandlungen von neurologischen Erkrankungen könnte sie eine Rolle spielen.“
Das Nano-Mind ähnelt bekannten Verfahren aus der Optogenetik. In der Optogenetik werden Zellen genetisch so verändert, dass sich gewünschte zelluläre Prozesse durch Licht aktivieren lassen. Beim Nano-Mind haben die Forscher stattdessen Ionenkanäle in Gehirnzellen der Mäuse eingebaut, die nicht durch Lichtimpulse, sondern durch die Drehung von magnetischen Nanopartikeln aktiviert werden können.
Um die Funktion ihrer Gedankensteuerung zu untersuchen, haben die Forscher anregende Neuronen im lateralen Hypothalamus mit Nanopartikelschaltern ausgeschattet. Bei der Kontrollgruppe wurden hingegen hemmende Neuronen im lateralen Hypothalamus mit Nanopartikelschaltern ausgeschattet.
Anschließend haben die Forscher die Nanopartikelschalter mit einem Magnetfeld aktiviert. Bei den Tieren, bei denen die anregenden Neuronen beeinflusst wurde, nahm die Nahrungsaufnahmen daraufhin um etwa die Hälfte ab, während sie sich bei der anderen Gruppe etwa verdoppelte.
„Wir konnten beobachten, dass es möglich ist, die Lust der Mäuse am Fressen buchstäblich nach Belieben ein- und auszuschalten.“
Außerdem haben die Forscher Experimente mit Neuronen, die die Geselligkeit der Tiere steuern, durchgeführt. Tiere mit der entsprechenden Manipulation waren in einem Magnetfeld gegenüber unbekannten Artgenossen deutlich freundlicher und aufgeschlossener als Mäuse aus der Kontrollgruppe.
In einem dritten Experiment haben die Forscher Schlüsselrezeptoren im medialen präoptischen Bereich, der unter anderem die Sorge um den eigenen Nachwuchs steuert, manipuliert. Weibliche Mäuse, bei denen der mediale präoptische Bereich mit Nanopartikeln und Magnetfeldern stimuliert wurde, waren deutlich mütterlicher als Mäuse aus der Kontrollgruppe. Dies äußerte sich etwa darin, dass sie schneller auf Töne ihre Nachkommen reagiert haben und diese besser beschützt haben.
Die Forscher sind der Ansicht, dass die Experimente belegen, dass ihre Technik die Basis für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden, etwa für degenerative neurologische Erkrankungen, bilden kann. Sie halten es für möglich, dass das Nano-Mind in Zukunft betroffenen Menschen die Kontrolle über ihren Verstand zurückgeben könnte. Aktuell befindet sich die Technik aber noch in einem sehr frühen Stadium, in dem die Möglichkeiten sowie eventuelle Nebenwirkungen noch nicht vollumfänglich erfasst sind.
Nature Nanotechnology, doi: 10.1038/s41565-024-01694-2