Cholesteatom

Gefährliche Mittelohrentzündung - Hörprobleme nehmen zu

Robert Klatt

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In Deutschland leiden zehn Millionen Menschen unter einer Hörminderung. Oft wird diese durch eine gefährliche Mittelohrentzündung ausgelöst.

Genf (Schweiz). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im Rahmen des Welttages des Hörens am 3. März 2021 die Ergebnisse und Empfehlungen der ersten globalen Untersuchung zu Hörminderungen veröffentlicht. Laut des World Report on Hearing leben bereits 1,5 Milliarden Menschen weltweit mit einem Hörverlust. In Deutschland sind etwa zehn Millionen Menschen betroffen, fast sechs Millionen davon leben mit einer signifikanten Schwerhörigkeit.

Eine unbehandelte Hörminderung kann laut den Wissenschaftlern der WHO in jedem Alter schwerwiegende Konsequenzen auslösen. Bei Kinder führt eine Hörminderung oft zu einer schlechteren Sprachentwicklung und Bildungsdefiziten sowie sozialer Isolation. Im mittleren Lebensalter ist Schwerhörigkeit laut einer Studie (The Lancet Commissions) des University College der größte modifizierbare Risikofaktor für die Entwicklung von Demenz.

Cholesteatom - Gefährliche Mittelohrentzündung verursacht Hörprobleme

Eine der häufigsten Ursachen für Hörprobleme ist laut der WHO ein Cholesteatom, auch bekannt als Otitis media epitympanalis oder Perlgeschwulst. Ein Cholesteatom bildet sich durch die Einwucherung von Plattenepithel des äußeren Gehörgangs in das Mittelohr. Die Medizin unterscheidet dabei drei verschiedene Formen:

Angeborenes Cholesteatom: Das angeborene Cholesteatom ist eine seltene Sonderform, die bereits im Embryonalstadium entsteht. Ausgelöst wird sie durch Plattenepithel, die bei der Entwicklung des Embryos im Ohr verbleiben. Im Gegensatz zu den anderen Formen kommt es beim angeborenen Cholesteatom in der Regel nicht zu einer Beschädigung des Trommelfells.

Sekundäres und traumatisches Cholesteatom: Das traumatische Cholesteatom wird durch einen Defekt des Trommelfells, durch den Epithel ins Mittelohr gelangt, ausgelöst. Die Ursache dafür ist oft ein Schädel- oder Felsenbeinbruch.

Retraktions- oder primäres Cholesteatom: Das primäre Cholesteatom entsteht gewöhnlich über mehrere Jahre durch eine Belüftungsstörung im Mittelohr, die dort zu Unterdruck auslöst und zum Zusammenziehen des Trommelfells (Retraktionstasche) führt. Dadurch sammelt sich Plattenepithel, was schlussendlich eine gefährliche Mittelohrentzündung auslöst.

Ein Cholesteatom im Mittelohr verursacht anfangs keine auffälligen Symptome und wird daher meistens erst im fortschreitenden Krankheitsverlauf erkannt. Aufgrund seiner großen Ähnlichkeit mit einer normalen Mittelohrentzündung wird ein Cholesteatom von unerfahrenen Ärzten jedoch oft verwechselt. Zu den typischen Beschwerden gehören ein riechender Ohrfluss (Otorrhoe), zunehmende Hörprobleme und oft auch leichte bis mittlere Schmerzen.

Erkannt werden kann ein Cholesteatom durch Ohruntersuchungen mit einem Spiegel und Mikroskop sowie spezielle Hörprüfungen. Geeignet ist zum Beispiel ein Tonaudiogramm. Im späteren Verlauf kann ein Cholesteatom aber auch durch Gleichgewichtstest erkannt werden. Die Behandlung erfolgt stets operativ. Dabei werden das Cholesteatom sowie die chronische Entzündung entfernt und eventuelle Beschädigung des Trommelfells verschlossen.

Folgeerkrankungen und -kosten von Hörminderungen vermeiden

Experten der WHO empfehlen zur Früherkennung von Hörproblemen regelmäßige Hörtests. Ein primäre Cholesteatom, das sich über mehrere Jahre bildet, kann so bereits im Frühstadium erkannt und behandelt werden, bevor es zu schwerwiegenden Hör- und Gleichgewichtsproblemen kommt.

„Das von den Krankenkassen finanzierte Neugeborenen-Hörscreening ist ein erster Meilenstein. Die Hörvorsorge im Erwachsenenalter hingegen ist der Initiative jedes Einzelnen überlassen – entsprechend selten wird diese wahrgenommen“, erklärt Dr. Stefan Zimmer, Vorstandsvorsitzender des BVHI. Er fordert daher, dass „um die Versorgungsquote insbesondere älterer Menschen zu erhöhen, Hörtests spätestens ab dem 50. Lebensjahr in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden sollten.“

Diese Forderung wird auch von anderen HNO-Ärzten unterstützt. „Altersbedingter Hörverlust beginnt schleichend und anfänglich unbemerkt. Durch Kompensationsmechanismen wird das richtige Hören regelrecht verlernt. Um den damit verbundenen Risiken entgegenzuwirken, ist ein Hörscreening ab dem 50. Lebensjahr als Früherkennungsuntersuchung medizinisch erforderlich“, sagt Priv.-Doz. Dr. med. habil. Jan Löhler, Direktor des Wissenschaftlichen Institutes für angewandte HNO-Heilkunde des Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte e. V. (BVHNO).

Globale Ziele der WHO bis 2030

Als Mitglied im World Hearing Forum berät der BVHI die WHO. Gemeinsam haben die beiden Organisation anlässlich des Welttages des Hörens die folgenden globalen Ziele bis zum Jahr 2030 ausgearbeitet:

  • Steigerung von Neugeborenen-Hörscreenings um 20 Prozent
  • Steigerung der Versorgungsquote von Erwachsenen mit Hörverlust um Prozent
  • Reduzierung der Prävalenz von chronischen Ohrenerkrankungen und unbehandeltem Hörverlust bei Kindern im Schulalter (5-9 Jahre) um 20 %

„Gutes Hören ist Lebensqualität! Jeder Mensch hat ein Recht darauf, gut zu hören und dadurch die Vielfalt des Lebens zu genießen. 15.000 Hörakustikerinnen und Hörakustiker in Deutschland erfahren das bei ihrer täglichen Arbeit mit Menschen mit Hörverlust. Die EUHA empfiehlt ab dem 50. Lebensjahr jährlich das Gehör überprüfen zu lassen“ erklärt Beate Gromke, Präsidentin der Europäischen Union der Hörakustiker e.V.

The Lancet Commissions, doi: 10.1016/S0140-6736(20)30367-6

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