Dennis L.
Heuschnupfen, Hausstaub- und Tierhaarallergien sind die häufigsten Allergieformen überhaupt. Nun ist es Wissenschaftlern mit einer Art Rasterfahndung gelungen 41 Risikogene im menschlichen Erbgut ausfindig zu machen, die in veränderter Form das Allergierisiko signifikant erhöhen. Die neue Erkenntnis könnte dabei helfen, neue Therapien für Allergiker zu entwickeln.
München (Deutschland). Weltweit leiden rund 400 Millionen Menschen unter allergischen Schnupfen, der in den meisten Fällen durch Pollen, Hausstaubmilben oder Tierhaare ausgelöst wird. Die typischen Symptome werden ausgelöst, wenn die Allergene über die Luft in die Atemwege gelangen. Bei Betroffenen mit relativ schwachen Symptomen, helfen bereits bewährte Hausmittel gegen Heuschnupfen. Fallen die allergischen Reaktionen jedoch stärker aus und beeinträchtigen sie die Person, beispielsweise durch eine stark laufende Nase, geschwollene Schleimhäute, juckende Augen oder einen kratzenden Hals, kommen nicht selten Medikamente zum Einsatz.
Marie Standl und ihre Kollegen vom Helmholtz Zentrum München haben in einer der bislang größten Studien zu diesem Thema 41 Gene ausfindig gemacht, deren Veränderung im Vergleich zum Normalzustand, das Risiko für eine Allergie deutlich erhöhen. Derzeit sind fast eine halbe Milliarde Menschen von einer allergischen Rhinitis betroffen – Tendenz steigend. „Um die Vorsorge und Therapie dieses Krankheitsbildes zu verbessern, müssen wir zuallererst verstehen, warum der menschliche Körper sich gegen bestimmte, eigentlich harmlose Stoffe zur Wehr setz“, erklärt Standl. Das Problem: Bisher gibt es keine langfristig wirksame Vorbeugung gegen diese Allergien.
Bei der Suche nach der Ursache deutet vieles auf eine genetische Vererbung hin. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Heuschnupfen und Co. zu rund 65 Prozent genetisch bedingt ist und somit vererbbar ist. Bisher war aber nicht bekannt, welche Gene für die Überreaktion des Immunsystems verantwortlich sind. Um herauszufinden, welche Gene bei Heuschnupfen, einer Hausstaub- und Tierhaarallergie eine Rolle spielen, haben die Wissenschaftler das Erbgut von 60.000 Personen mit einer der genannten Allergien mit dem von 150.000 Personen ohne allergische Reaktionen untersucht. Hierbei fanden die Forscher 41 sogenannte Risikogene, die Veränderungen bei Personen mit allergischen Schnupfen aufwiesen. 21 dieser identifizierten Gene waren in diesem Zusammenhang noch völlig unbekannt, wie die Forscher im Fachjournal berichten.
In einer ergänzenden Studie haben Standl und ihre Kollegen erneut das Erbgut von 60.000 weitere Personen mit Allergien und das von 620.000 gesunde Personen untersucht. Dabei konnten sie 30 der Risikogene bestätigen. „Durch die damit 41 bekannten Risikogene lassen sich in etwa acht Prozent der allergischen Rhinitis-Erkrankungen erklären“, so Standl. Um etwas über die Funktionen der betroffenen Gene herauszufinden, haben die Wissenschaftler verschiedene Gendatenbanken durchsucht – und sind fündig geworden.
„Für viele dieser Genorte gab es Belege, dass sie regulatorische Effekte auf ein breites Spektrum von Immunzellen besitzen, darunter auch B- und T-Zellen“, berichten die Forscher weiter. Viele der besonders auffälligen Gensignale waren im sogenannten Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) lokalisiert. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Genen auf dem sechsten Chromosom, die unter anderem für die Erkennung fremder oder eigener Zellen entscheidend sind. Diese Gene spielen zum Beispiel für die Gewebeverträglichkeit sowie bei Abstoßungsreaktionen nach Transplantationen eine wichtige Rolle, aber halt auch für die Erkennung von Allergenen bei Allergien. Ein Paar der jetzt neu identifizierten Genvarianten verändern demnach Bindungstaschen in Rezeptoren für Allergene, wie die Wissenschaftler feststellen konnten. Zusätzlich zeigte der Abgleich der Gene, dass einige der für die allergische Rhinitis identifizierten Risikogene bereits im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen aufgefallen waren. Auch diese beruhen auf einer Über- und Fehlreaktion des Immunsystems.
„Die von uns identifizierten Stellen im Erbgut fördern das Verständnis für die Mechanismen des allergischen Schnupfens und erschließen hoffentlich neue Zielstrukturen für dessen Behandlung und Vorsorge“, erklären die Wissenschaftler. „Allerdings erklären die gefundenen Gene nur teilweise, warum so viele Menschen eine allergische Rhinitis entwickeln. Ein wichtiger nächster Schritt wird daher sein, das Wechselspiel von Risikogenen und Umwelt zu erforschen.“
Nature Genetics: doi: 10.1038/s41588-018-0157-1