Robert Klatt
Eine Gentherapie gegen Hämophilie A (Bluterkrankheit), bei der den Probanden ein DNA-Vektor gespritzt wurde, hat zu positiven Ergebnissen geführt.
Novato (U.S.A.). Menschen mit Hämophilie A (Bluterkrankheit) bilden den Gerinnungsfaktors VIII nur eingeschränkt. Es kann deshalb bei internen Blutungen, etwa in den Gelenken, zu erheblichen Problemen kommen. Bisher werden Betroffene meist durch eine prophylaktische Verabreichung des fehlenden Gerinnungsfaktors behandelt. Wissenschaftler haben nun in Kooperation mit dem Pharmaunternehmen BioMarin Pharmaceutical im The News England Journal of Medicine Ergebnisse einer klinischen Phase-III-Studie veröffentlicht, in der 134 Probanden mit Hämophilie A mit einer neuen Gentherapie behandelt wurden.
„Damit wurde die weltweit größte Anzahl von Patienten eingeschlossen, die jemals in einer Gentherapiestudie zur Bluterkrankheit untersucht wurde“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Miesbach, Leiter Schwerpunkt Hämostaseologie in der Medizinischen Klinik II / Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie am Universitätsklinikum in Frankfurt.
Den Teilnehmern wurden Adenoassoziierte-Viren 5 (AAV5) gespritzt, die über einen DNA-Vektor die Bauanleitung für den Gerinnungsfaktors VIII in den Körper der Menschen brachten. Dieser sollte dann spezifisch in Leberzellen produziert und von dort über die Blutbahn verteilt werden.
Die Behandlung mit Valoctocogene Roxaparvovec funktioniert bei Menschen mit schwerer Hämophilie A gut. Das mittlere Faktor-VIII-Aktivitätsniveau nahm in den Wochen 49 bis 52 nach der Spritze um 41,9 IU/dl zu. Der mittlere jährliche Faktor VIII-Verbrauch nahm um 98,6 Prozent ab und die jährlichen Blutungsereignisse waren in Nachbeobachtungszeitraum der Studie um 83,8 Prozent geringer.
„Trotz der insgesamt positiven Ergebnisse ist eine sehr hohe individuelle Variabilität des Therapieerfolges auffällig“, erklärt Dr. Patrick Möhnle, Oberarzt in der Abteilung für Transfusionsmedizin, Zelltherapeutika und Hämostaseologie, Klinik für Anästhesiologie, Klinikum der Universität München (LMU).
Bei 16,4 Prozent der Probanden kam es durch die Genbehandlung zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen. Zudem kam es bei einem Großteil (85,8 %) der Teilnehmer acht Wochen nach der Infusion der viralen Gentherapie zu einem Anstieg des Alanin-Aminotransferasespiegel (ALT). Weitere Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen (38,1 %), Übelkeit (37,3 %) und Erhöhungen der Aspartat-Aminotransferasespiegel (AST bei 35,1 %).
Sollte die Gentherapie zugelassen werden, könnte das Medikament die verfügbaren Prophylaxeoptionen ergänzen. Dauerhaft heilen kann das Mittel Hämophilie A jedoch leider nicht.
„Eine Gentherapie mit Adenoassoziierten Viren kann die Hämophilie nicht final heilen, weil das in die Leberzelle eingebrachtes Gen nicht in das Erbgut integriert wird. Wenn die Leber sich im Laufe der Jahre regeneriert und neue Leberzellen bildet und alte absterben, dann sterben auch die Leberzellen ab, die das Gen tragen. Die eingeschleuste Erbinformation geht dann wieder verloren. Dieselbe Therapie kann auch nicht wiederholt werden, weil einem bei der einmaligen Injektion sehr viele Viren infundiert werden, gegen die der Körper dann viele neutralisierende Antikörper bildet. Eine nachfolgende Gentherapie könnte man also nur mit anderen Virusvarianten durchführen“, erklärt Dr. Robert Klamroth, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin – Angiologie und Hämostaseologie Zentrum für Gefäßmedizin, Vivantes Klinikum im Friedrichshain.
Aktuell befinden sich noch acht weitere Gentherapieansätze für Hämophilie A und Hämophilie B in klinischen Studien. „Die Valoctocogene roxaparvovec-Studie ist die am weitesten fortgeschrittene Studie zur Gentherapie der Hämophilie A. Darüber hinaus gibt es weitere Phase-3-Studien mit anderen Viruskapsiden und Gentherapiekonstrukten. Es bleibt abzuwarten, welcher Ansatz am erfolgreichsten sein wird und wie sich die Faktor-VIII-Aktivität im zeitlichen Verlauf weiter entwickeln wird“, kommentiert Miesbach.
The News England Journal of Medicine, doi: 10.1056/NEJMoa2113708