Robert Klatt
In Deutschland ist die Covid-19-Impfquote bei Besserverdienern deutlich höher als Geringverdiener. Der höhere Anteil an Impfgegnern bei Angestellten mit geringen Einkommen ist dafür nur teilweise verantwortlich.
Düsseldorf (Deutschland). In Deutschland gibt es unter Angestellten laut einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI), das Teil der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist, in Abhängigkeit vom Gehalt signifikante Unterschiede in der Covid-19-Impfquote. Personen mit geringem sozio-ökonomischen Status, die im untersten Fünftel der Lohnverteilung (1. Quintil) liegen, waren laut einer über das Portal Lohnspiegel.de durchgeführten Umfrage, an der 4.500 Beschäftigte teilnahmen, im Juni 2021 nur zu 49 Prozent erstgeimpft. Bei den Besserverdienenden im obersten Fünftel hatten zu diesem Zeitpunkt hingegen bereits 71 Prozent ihre erste Impfdosis gegen Covid-19 erhalten. Insgesamt waren im Juni 2021 59 Prozent der Beschäftigten erstgeimpft und 27 Prozent vollständig geimpft.
„Da in den Sommermonaten genügend Impfstoff zur Verfügung steht, müssen jetzt alle Bevölkerungsschichten einen niederschwelligen Zugang zu einer Impfung erhalten. Ein Impfangebot am Arbeitsplatz ist dafür ein wichtiger Baustein“, kommentiert Dr. Aline Zucco, Expertin für Verteilungsfragen am WSI, das Umfrageergebnis.
Besonders auffällig ist, dass sich unter den Ungeimpften mit geringen Einkommen auch viele Personen befinden, die zu Beginn der Covid-19-Pandemie als „Helden der Coronakrise“ gefeiert werden. Als Beispiel nennen die Wissenschaftler des WSI Verkaufsberufe mit viel Kundenkontakt. Bisher wurde nur gut die Hälfte (52 %) der Beschäftigten in diesem Bereich zumindest erstgeimpft, obwohl die Coronavirus-Impfverordnung vorschreibt, dass Beschäftigte im Lebensmitteleinzelhandel bevorzugt behandelt werden sollen.
„Wegen der Aufhebung der Impfpriorisierung sind viele Beschäftigte aus der Prioritätsgruppe 3, in die eine Tätigkeit im Lebensmitteleinzelhandel fiel, aber nicht mehr zum Zuge gekommen. Jetzt finden sich etliche davon offenbar im Dschungel um die Terminvergabe nicht zurecht“, erklärt Zucco. In anderen Bereichen sind die Impfquoten deutlich höher, darunter medizinische Gesundheitsberufe (81 %) und Beschäftige aus dem Bereich Erziehung und Soziales (74 %), die zu den Prioritätsgruppen 1 und 2 gehörten.
„Gerade im Hinblick auf die sich ausbreitende Delta-Variante sollte es im Eigeninteresse der Arbeitgeber sein, hier möglichst schnell zu handeln, sodass bis zum Herbst möglichst viele Beschäftigte einen vollständigen Impfschutz haben“, so Zucco. Wichtig ist dies vor allem für Branchen wie den Einzelhandel und die Gastronomie, also alle Bereiche, in denen Beschäftigte ständig Kontakt mit weiteren Personen haben. Das WSI spricht sich deshalb für ein betriebliches Impfangebot aus, weil es vielen Beschäftigten nicht gelingt, schnell genug einen Impftermin bei einem Impfzentrum oder ihrem Hausarzt zu bekommen.
Ein weiterer Grund für die geringere Impfquote bei Geringverdienern ist der höhere Anteil an Impfgegnern. Laut der Studie des WSI wollen sich 9 Prozent der Geringverdienenden, die noch nicht geimpft wurden, auch in Zukunft nicht impfen lassen. Bei Besserverdienenden liegt dieser Anteil nur bei vier Prozent.
Trotzdem liegt das höchste Potenzial zur Durchimpfung der erwachsenen Bevölkerung bei Angestellten mit niedrigen Löhnen. 11 Prozent gaben an, einen Impftermin bereits vereinbart zu haben, weitere 19 Prozent wollen sich prinzipiell impfen lassen. 13 Prozent sind ungeimpft und noch unentschlossen, ob sie sich impfen lassen wollen, schließen dies aber nicht prinzipiell aus.
„Wenn der Betriebsarzt während der Arbeitszeit unkompliziert eine Impfung anbietet, lassen sich dadurch viele Menschen zusätzlich erreichen. Und wenn die eigenen Kolleginnen und Kollegen zur Impfung gehen, überzeugt das vielleicht auch manche, die im Moment noch zögern“, konstatiert Zucco.