Robert Klatt
Im Gift von Krebsen aus Unterwasserhöhlen auf der Halbinsel Yucatán wurden einzigartige Peptide entdeckt, die als Basis für neue Medikamente dienen können. Denkbar ist ein Einsatz in der Schmerztherapie und bei der Behandlung von neurologischer Erkrankungen, einschließlich Epilepsie.
Frankfurt am Main (Frankfurt). Das Gift vieler Tierarten enthält Toxine, die unterschiedliche physiologische Prozesse beeinflussen können. In der Medizin gibt es deshalb eine Vielzahl an Studien, die daran arbeiten, aus tierischen Giften neue pharmazeutischer Wirkstoffe zu produzieren, die die Basis für neue Medikamente bilden sollen. Der Fokus dieser Forschung lag bisher vor allem auf den Giften von Schlangen, Spinnen, Insekten und Skorpionen, während die Gifte von Meereslebewesen kaum untersucht werden.
Wissenschaftler der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main haben nun das Gift der Krebsart Xibalbanus tulumensis analysiert. Diese Krebse gehören zu den sogenannten Remipeden, leben in Meeresunterwasserhöhlen und ähneln Tausendfüßern. Erstmals beschrieben wurde ihr Giftsytem im Jahr 2014.
Laut der Publikation im Fachmagazin BMC Biology stammen die Krebse aus Unterwasserhöhlen auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán. Die Tiere injizieren ihr Gift zur Jagd in seine Beute. Es enthält unterschiedliche Komponenten, darunter das Peptid Xibalbine, das bisher nur bei den Krebsen der Art Xibalbanus tulumensis entdeckt wurde.
Xibalbine enthalten ein strukturelles Element, das in ähnlicher Form auch in den Giften von Spinnen vorhanden ist. Mehrere Aminosäuren (Cysteine) des Peptids bilden gemeinsam eine knotenartige Struktur, die die Peptide resistent gegen Enzyme, Hitze und extreme pH-Werte machen. Eine Analyse der Xibalbine-Peptide der Krebs, besonders Xib1, Xib2 und Xib13, zeigt, dass diese die Kaliumkanäle von Säugetieren hemmen.
„Diese Hemmung ist von großer Bedeutung für die Entwicklung von Medikamenten gegen eine Vielzahl neurologischer Erkrankungen, einschließlich Epilepsie“.
Außerdem können die Xibalbine-Peptide Xib1 und Xib13 spannungsgesteuerte Natriumkanäle von Säugetieren hemmen. Diese Natriumkanäle kommen unter anderem in Nerven- oder Herzmuskelzellen vor. Die beiden Xibalbine-Peptide können zudem zwei Proteine, nämlich PKA-II und ERK1/2, in den Neuronen von Säugetieren aktivieren. Diese Neuronen sind an der Signalübertragung beteiligt. Wie die Forscher erklären, ist dies ein Indiz dafür, dass die Komponenten des Gifts der Krebs als Grundlage für neue Medikamente für die Schmerztherapie dienen könnten.
Die Forscher erklären, dass bisher lediglich die Bioaktivität der Xibalbine untersucht wurde. Bis auf den Giften der Krebse tatsächlich neue Medikamente entstehen können, ist noch eine komplexe Entwicklung nötig.
„Geeignete Kandidaten zu finden und ihre Wirkungen umfassend zu charakterisieren, um die Grundlage für sichere und wirksame Medikamente zu schaffen, ist heute nur in einem großen interdisziplinären Team möglich, wie im Fall unserer Studie.“
BMC Biology, doi: 10.1186/s12915-024-01955-5