Naturstoff Rhizolutin

Ginseng als Wundermittel gegen Alzheimer?

Robert Klatt

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Bakterien erzeugen aus Ginseng den Naturstoff Rhizolutin. In Tierversuchen mit Mäusen konnte dieser typische Alzheimer-Plaques auflösen.

Seoul (Südkorea). Alzheimer gehört global zu den häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. Laut Daten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V. (PDF) leiden in Deutschland etwa 1,6 Millionen Menschen unter der Krankheit. Medikamente können das Fortschreiten der Zerstörung der Gehirnzellen zwar verlangsamen, dauerhaft stoppen kann man Alzheimer bisher aber nicht.

Hoffnung macht nun eine Entdeckung von Wissenschaftlern der Nationaluniversität Seoul um Yun Kwon. Laut ihrer Veröffentlichung im Magazin Angewandte Chemie fanden die Wissenschaftler heraus, dass im Boden lebende Bakterien aus der Gattung Streptomyces aus der asiatischen Heilpflanze Ginseng den zuvor unbekannten Naturstoff Rhizolutin produzieren.

Kultivierung von Rhizolutin im Labor

Um den Naturstoff Rhizolutin detailliert untersuchen zu können, kultivierten die Wissenschaftler diese Bakterien auf einem Nährboden, der mit Ginseng-Pulver angereichert wurde. Die Wurzelmikroben erzeugten so zehnmal mehr Rhizolutin als in der Natur. Es war so möglich, die chemische Struktur von Rhizolutin zu analysieren. Der dabei beobachtete Aufbau des Rhizolutin-Moleküles aus drei verknüpften Ringen, die von einem sieben- und einem sechsgliedrigen Ring umgeben sind, war zuvor in der Wissenschaft unbekannt.

Eine Suche in Naturstoff-Datenbanken zeigte jedoch, dass ähnliche Moleküle existieren, laut denen sich Rhizolutin womöglich als Wirkstoff für ein Medikament gegen Alzheimer eignen könnte. Die chemische Struktur ähnelt laut Kwon Substanzen, die typische Alzheimer-Plaques aus fehlgefalteten Amyloid-Beta- und Tau-Proteinen auflösen.

Wirksam gegen Alzheimer?

Um ihre These zu überprüfen, führten die Wissenschaftler Experimente mit Zellkulturen aus menschlichen Neuronen und Gliazellen und mit unter Alzheimer leidenden Mäusen durch. Laut Kwon „führte die Behandlung der Mäuse mit Rhizolutin zu einer signifikanten Auflösung von Proteinplaques im Hippocampus der Tiere.“ Dabei löste der Naturstoff sowohl die Tauproteine als auch die Amyloid-Plaques. Auch in den Zellkulturen konnte Rhizolutin das Absterben von Zellen und die von Amyloid-Beta ausgelösten Entzündungen hemmen.

Die Wissenschaftler konstatieren daher, dass „ihre Ergebnisse belegen, dass diese einzigartige chemische Verbindung sowohl die Amyloid-Plaques als auch die Tau-Proteine angreift.“ Eine Computersimulation zeigt, dass Rhizolutin sehr wahrscheinlich in das fehlgefalteten Proteine über dessen wasserabweisende Bereiche eindringt und die Klumpen von innen auflöst. Der Wirkung ist damit vergleichbar mit einer Immuntherapie, die bereits in einigen klinischen Studien mit Menschen Erfolge zeigte.

Ob Rhizolutin sich tatsächlich für die Behandlung von Alzheimer beim Menschen eignet, wurde durch die Studie allerdings noch nicht geklärt. In der Vergangenheit kam es mehrmals dazu, dass Wirkstoffe, die in Mäuseversuchen erfolgreich erprobt wurden, beim Menschen keine Wirkung zeigten. Es sind deshalb klinische Studien nötig, die die Wirkung von Rhizolutin beim Menschen untersuchen.

Angewandte Chemie, doi: 10.1002/ange.202009294

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