Robert Klatt
Eine einzige Gentherapie-Injektion mit einem künstlichen Virus hat erstmals Menschen mit Hämophilie (Bluterkrankheit) dauerhaft geheilt.
London (England). Menschen mit der Erbkrankheit Hämophilie (Bluterkrankheit) bilden den sogenannten Gerinnungsfaktor IX nicht in ausreichenden Mengen. Bei ihnen kann es deshalb selbst bei kleinen Verletzungen dazu kommen, dass die Blutung nicht nur die Gerinnung des Blutes gestoppt wird. In schweren Fällen kommt es bei Menschen mit Bluterkrankheit auch zu spontanen Blutungen und anormalen Blutungen, die tödlich verlaufen können.
Geheilt werden kann Hämophilie bisher nicht. Betroffene müssen deshalb im Rahmen einer Substitutionstherapie den Gerinnungsfaktor-IX über Infusionen zuführen. Diese müssen ein- bis zweimal wöchentlich erfolgen. Die Medizin sucht seit Jahren nach einer Alternative, die die Krankheit bestenfalls dauerhaft heilt.
Nun haben Wissenschaftler des Biotechnologieunternehmens Freeline Therapeutics und des University College of London (UCL) erstmals mit einer neuartigen Therapieform Menschen mit Hämophilie dauerhaft geheilt. Laut ihrer Publikation im New England Journal of Medicine erhielten die zehn Probanden der klinischen Phase-I-Studie eine einzige Gentherapie-Injektion.
Mithilfe eines künstlichen Virus wurden die fehlenden Bestandteile des Gerinnungsfaktors IX in den Körper der Patienten geschleust. Anschließend lieferte der Virus die Informationen an die Leber, die daraufhin mit der selbstständigen Produktion des Gerinnungsproteins begann.
Bei neun der zehn Probanden (90 %) führte die Injektion dazu, dass diese dauerhaft einen normalen Faktor-IX-Spiegel entwickelten. Sie konnten ihre Substitutionstherapie also beenden. Lediglich bei einem Patienten funktionierte die Gentherapie-Injektion nicht. Er musste daher die Faktor-IX-Ersatztherapie wieder beginnen. Gegenüber der BBC berichtete ein Proband, dass sein Leben sich aufgrund der innovativen Behandlung inzwischen „völlig normal“ anfühlt.
New England Journal of Medicine, doi: 10.1056/NEJMoa2119913