Robert Klatt
Ein neuer Hemmstoff könnte die Behandlung zuvor gegen Chemotherapeutika resistenter Tumore ermöglichen.
Halle-Wittenberg (Deutschland). Krebs wird noch immer am häufigsten mit der Chemotherapie behandelt. Patienten erhalten dabei meistens Cytostatika. Dies sind Substanzen, die die Zellteilung unterdrücken, dadurch die Vermehrung der Krebszellen verhindern und schlussendlich zum Tod der title="Zellen" führen.
Die bisherigen Mittel funktionieren oft jedoch nicht mehr, weil Krebszellen zunehmend Resistenzen entwickeln. Als Gegenmaßnahme nutzen die Zellen bestimmte Proteinpumpen, mit denen sie die Chemotherapeutika aus ihrem Zellinneren transportieren, bevor diese ihre gewünschte Wirkung entfalten können.
Ein Team um Henry Döring von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat deshalb nach Hemmstoffen gesucht, die die Arbeit der Proteinpumpen blockieren. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Molecules konzentrierten sich die Wissenschaftler dabei auf die Proteinpumpe MRP4, die bei Nierenkrebs, Hirntumoren, Knochenkrebs, Lymphomen und Pankreaskrebs vorkommt. MRP4 ist überdies dafür bekannt verschiedene Chemotherapeutika aus den Krebszellen zu pumpen.
Auf der Suche nach einem Hemmstoff nutzten die Forscher die Struktur dieser Proteinpumpe, um chemische Verbindungen zu finden, die an dieser andocken und sie dadurch blockieren können. Als Erfolg versprechend zeigte sich in ersten Tests eine Gruppe von 1,4-Dihydropyridinen. Es handelt sich dabei um Wirkstoffe, die bereits in einigen Blutdrucksenkern zugelassen sind.
Anschließend untersuchten die Wissenschaftler die Wirkung der Dihydropyridin anhand von Krebszellkulturen mit und ohne MRP4-Pumpe. Diese wurden zuerst mit Hemmstoff und dann mit dem Chemotherapeutikum Mercaptopurin behandelt. Anhand eines Farbstoffs konnte dabei beobachtet werden, ob die Proteinpumpen den Wirkstoff des Chemotherapeutikums aus den Krebszellen befördern.
Normale Tumorzellen reagierten dabei wie erwartet sensibel auf das Medikament. Bereits eine Dosis von 25 Mikromol reichte aus, um die Hälfte der Zellen zu töten. Bei den Krebszellen mit aktiver MRP4-Proteinpumpe war hingegen die zehnfache Dosis nötig, um die Hälfte der Zellen zu töten. Nach der Behandlung mit 1,4-Dihydropyridinen reichten bei den Krebszellen mit MRP4-Proteinpumpe bereits 33 Mikromol aus, um die Hälfte der Zellen zu töten. Der Hemmstoff macht vormals resistente Krebszellen demnach fast so sensibel wie Krebszellen ohne MRP4-Proteinpumpe.
Henry Döring: „Unser bester Hemmstoff hat demnach die Anfälligkeit der Zellen auf das Krebsmittel wiederhergestellt.“
Sollte die in den Zellkulturen dokumentierte Wirkstoff des Hemmstoffs durch weitere Studien bestätigt werden, könnte der Hemmstoff in Zukunft dabei helfen zuvor gegen Chemotherapeutika resistente Tumore zu behandeln. Bevor dies möglich ist, sind aber noch weitere präklinische Testreihen nötig. Dabei muss unter anderem analysiert werden, wie spezifisch die getesteten Dihydropyridin-Varianten die Proteinpumpe MRP4 blockieren, um eventuelle Nebenwirkungen zu verringern. Sollten auch diese Studien erfolgreich verlaufen, müssen noch mehrjährige klinische Studien die Wirksamkeit mit echten Patienten bestätigen.
Molecules, doi: 10.3390/molecules26010018