Robert Klatt
Der Mensch hält schwülheißes Wetter schlechter aus, als bisher angenommen wurde. Bereits 31 Grad Celsius können bei hoher Luftfeuchtigkeit für einen gesunden, jungen Menschen potenziell tödlich sein.
Pennsylvania (U.S.A.). Der Mensch schafft es selbst an sehr heißen Tagen in der Regel seine Kerntemperatur bei 37 Grad Celsius zu halten. Möglich ist dies durch die Verdunstungskühlung des Körpers beim Schwitzen. Wenn die Luftfeuchtigkeit zu hoch ist, kann der Schweiß jedoch nicht mehr verdunsten und die Abkühlung bleibt aus. Im Extremfall kann dies zum Tod durch Überhitzung führen.
Die Medizin hat bisher angenommen, dass ein gesunder Mensch eine Kühlgrenztemperatur von 35 Grad Celsius für etwa sechs Stunden aushalten kann. Die Kühlgrenztemperatur ist eine Kombination aus der Temperatur und Luftfeuchte. Sie entspricht 46 Grad Celsius bei einer Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent und 35 Grad Celsius bei einer Luftfeuchtigkeit von 100 Prozent. „Obwohl dieser theoretische Grenzwert auf physiologischen Prinzipien beruht, wurde er bisher nicht durch empirische Daten überprüft“, erklärt Daniel Vecellio von der Pennsylvania State University.
Laut ihrer Publikation im Journal of Applied Physiology haben die Wissenschaftler deshalb nun die Kühlgrenztemperatur experimentell überprüft. Sie setzten dazu 24 gesunde Probanden zwischen 18 und 34 Jahren in verschiedenen Kombinationen aus Luftfeuchtigkeit und Hitze in Klimakammern aus. Die Probanden trugen dabei Sommerkleidung und bewegten sich langsam auf einem Fahrrad oder Laufband. Dabei dokumentierten die Forscher die Hauttemperatur und Schweißproduktion an verschiedenen Körperstellen. Eine verschluckte Sensorkapsel maß dabei permanent die Kerntemperatur.
Laut den Messungen sind die bisherigen Grenzwerte für die Kerntemperatur deutlich zu hoch. Die Probanden erreichten schon deutlich unter 35 Grad Celsius kritische Werte. „Keiner der Probanden in den sechs verschiedenen Experimentvarianten erreichte das theoretische Limit von 35 Grad, ihre Werte wurden schon deutlich darunter kritisch“, erklärt Vecellio. Bei 100 Prozent Luftfeuchtigkeit lag der Grenzwert schon bei 31 Grad Celsius statt der zuvor angenommenen 35 Grad Celsius.
Die Daten belegen zudem, dass ein leichtes Absinken der Luftfeuchtigkeit die Hitzetoleranz nicht erhöht. Die kritische Kühlgrenztemperatur wurden stattdessen bereits bei 25 Grad Celsius bis 28 Grad Celsius erreicht. „Die kritischen Kühlgrenztemperaturen in heißen, trockeneren Umgebungen lagen damit fast zehn Grad niedriger als die Literaturwerte“, berichten die Forscher. Dies liegt primär daran, dass die Menschen ihre Schweißproduktion trotz geringerer Luftfeuchtigkeit ab einer bestimmten Temperatur nicht mehr erhöhen.
Wie die Forscher erklären, kann dies in den kommenden Jahrzehnten große Auswirkungen haben. „Das Klima verändert sich und es wird häufigere und intensivere Hitzewellen geben. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass wir uns in schwülwarmen Regionen der Erde schon dann Sorgen machen sollten, wenn die Kühlgrenztemperatur über 31 Grad steigt“, erklärt Larry Kenney. Das Problem trifft jedoch auch junge Menschen, die laut den Ergebnissen körperlich überfordert sein könnten.
Bereits bei den zuvor angesetzten deutlich höheren Grenzwerten würden laut Studien in den kommenden Jahren 1,2 Milliarden Menschen in Regionen leben, in denen es zu lebensbedrohlichen Hitzeperioden kommt. Ein Teil der Erde könnte dadurch im Sommer sogar komplett unbewohnbar werden. Weil die kritische Kühlgrenztemperatur tatsächlich jedoch unter den Grenzwerten liegt, sind von dem Problem noch mehr Regionen und Menschen betroffen.
„Die von uns ermittelten kritischen Toleranzgrenzen dokumentieren, dass Teile unseres Planeten schon jetzt regelmäßig solche nicht mehr kompensierbaren Kühlgrenztemperaturen erleben“, erklären die Autoren.
Die Studie zeigt jedoch auch, dass die kritische Kühlgrenztemperatur stärker von den Klimabedingungen abhängt als bisher angenommen wurde. „Eine universelle kritische Kühlgrenztemperatur für die menschliche Temperaturtoleranz auf dem gesamten Globus kann es daher nicht geben“, so die Forscher. Die kritische Kühlgrenztemperatur und das Klimarisiko muss deshalb regional und nicht global untersucht werden.
Journal of Applied Physiology, doi: 10.1152/japplphysiol.00738.2021