Robert Klatt
Ein neu entwickelter Antikörper beschleunigt den Stoffwechsel und reduziert den Appetit auf Süßigkeiten. In einer Phase-1-Studie wurde die Injektion von Menschen gut vertragen.
San Francisco (U.S.A.). Das Hormon Fibroblast Growth Factor 21 (FGF21) beeinflusst den Stoffwechsel des Menschen und reguliert dessen Appetit. In Abhängigkeit von der Ernährung erzeugt der Körper unterschiedliche Mengen an FGF21. In der Vergangenheit zeigten Studien, dass eine kohlenhydratreiche Ernährung zu hohen Konzentrationen des Hormons im Blut führt. Außerdem ist der Spiegel auch bei Menschen mit Übergewicht und bei Diabetikern signifikant höher.
Dadurch entsteht eine Art „Feedback-Schleife“ in der das Hormon das Verlangen nach weiteren Kohlenhydraten reduziert. In Versuchen mit Mäusen und Menschen führten Injektionen mit FGF21 deshalb zu einem deutlich verminderten Hungergefühl und einer Gewichtsreduktion. Leider wird das Hormon im Körper schnell abgebaut. Um Menschen beim Abnehmen zu unterstützten, wären deshalb regelmäßige Injektionen nötig.
Laut einer Studie des Unternehmens Genentech, die im Fachmagazin PNAS publiziert wurde, könnte in Zukunft ein Antikörper, der eine Bindung mit den gleichen Rezeptoren wie FGF21 eingeht, beim Abnehmen helfen. Im Gegensatz zum Hormon wird dieser vom Körper deutlich langsamer abgebaut. Ein therapeutischer Einsatz mit selteneren Injektionen wäre deshalb prinzipiell möglich.
Um die Wirkung und die Sicherheit des experimentellen Antikörpers zu untersuchen, führten die Wissenschaftler von Genentech eine Phase-1-Studie mit 71 übergewichtigen aber bisher gesunden Menschen durch. 53 Probanden erhielten verschiedenen Dosen des Antikörpers, 18 Probanden ein Placebo.
Zur Kontrolle der Kalorienaufnahme erhielten alle Probanden die gleiche Nahrung. Bereits nach einer Woche reduzierte sich das Gewicht der Antikörper-Gruppe im Mittel um 1,2 kg, in der Placebo-Gruppe sank das Gewicht im Mittel lediglich um 0,28 kg. Dabei entdeckten die Wissenschaftler einen direkten Zusammenhang zwischen dem Gewichtsverlust und der Höhe der Antikörper-Dosis. Die Studienautoren schlussfolgern daraus, dass der Antikörper den Stoffwechsel beschleunigt und bei identischer Ernährung zu einem höheren Kalorienverbrauch führt.
Anhand von Nachuntersuchungen und Fragebögen untersuchen die Wissenschaftler auch die langfristigen Auswirkungen der Antikörper-Behandlung. In der Antikörper-Gruppe kam es dabei unter anderem zu niedrigeren Blutfettwerten. Auch hier zeigte sich eine Abhängigkeit von der Höhe der Dosis. Bei den Probanden mit der höchsten Antikörper-Dosis bleiben die besseren Cholesterinwerte noch 60 Tage nach der einmaligen Injektion erhalten.
Außerdem gaben die Probanden der Antikörper-Gruppe an, in den Wochen nach ihrer Injektion weniger Hunger auf Süßigkeiten und andere Kohlenhydrate zu haben. Auch dies war abhängig von der Höhe der Antikörper-Dosis. Insgesamt war der Einfluss auf das Hungergefühl aber relativ gering. Nach einem Monat kehrte sich der Effekt sogar um und die Probanden, mit Ausnahme der Personen mit der höchsten Dosis, aßen im Mittel sogar mehr als vor ihrer Behandlung. Bei parallelen Experimenten mit Affen trat dieser Effekt nicht auf, sodass die Tiere bereits durch eine einmalige Injektion deutlich an Gewicht verloren.
In der experimentellen Therapie kam es bei 41,5 Prozent der Personen aus der Antikörper-Gruppe zu Übelkeit, bei 22,6 Prozent zu Erbrechen und Durchfall. Die Nebenwirkungen nahmen genau wie die positiven Effekte mit der Höhe der Dosierung zu. Generell wurde der Antikörper laut den Wissenschaftlern aber gut vertragen.
Die Forscher konstatieren daher, dass „die Daten insgesamt nahelegen, dass die Behandlung mit dem Antikörper eine Gewichtsreduktion bewirkt, ohne den Appetit merklich zu verringern, wobei eine Abneigung gegen die Aufnahme von Kohlenhydraten möglich ist.“ Weitere Studien des Unternehmens, das zum Schweizer Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche gehört, sollen nun untersuchen, ob die Antikörpertherapie tatsächlich zur Gewichtsreduktion von übergewichtigen Personen eingesetzt werden kann.
Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2012073117