Robert Klatt
In Deutschland werden Menschen überdurchschnittlich oft vor ihrem Tod im Krankenhaus beatmet. Der „friedliche Tod“ zuhause wird deshalb immer seltener. Dies könnte auch daran liegen, dass Kliniken durch eine mögliche Übertherapie finanzielle Vorteile erlangen.
Köln (Deutschland). Forscher der Lungenklinik Köln-Merheim um Christian Karagiannidis haben untersucht, wie hoch der Anteil der Menschen ist, die in Deutschland beatmet im Krankenhaus sterben. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin The Lancet Regional Health – Europe haben sie dazu Daten von über einer Million Erwachsenen analysiert, die im Zeitraum von 2019 bis 2022 in etwa 1.400 Kliniken beatmet wurden. Etwa 43 Prozent der beatmeten Personen sind im Krankenhaus verstorben.
Die Wissenschaftler haben zudem die Gesamtzahl der Verstorbenen anhand von Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) erfasst. Sie konnten so bestimmen, dass im Studienzeitraum jeder zehnte Mensch beatmet im Krankenhaus verstorben ist. Zu den häufigsten Gründen für eine künstliche Beatmung zählen vor allem Herzerkrankungen, Lungenentzündungen, die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) sowie zerebrovaskuläre Erkrankungen wie Schlaganfälle. Diese Zahlen haben sich auch nach dem Ende der Covid-19-Pandemie nicht verändert.
Im Untersuchungszeitraum wurden in Deutschland über 1.000 Menschen pro 100.000 Einwohner in der Altersgruppe über 80 Jahren pro Jahr mechanisch beatmet. Die Sterblichkeitsrate in dieser Gruppe liegt bei 59 Prozent. Im internationalen Vergleich ist die Zahl der beatmeten Personen in dieser Altersgruppe in Deutschland besonders hoch. In England sind es jährlich etwa 200 Menschen pro 100.000 Einwohner und in Kanada 700.
Wir haben zusammen mit den USA die größte Neigung dazu, am Lebensende und bei hochaltrigen Patienten sehr viel Beatmungstherapie durchzuführen. Friedlich zuhause sterben ist für viele Menschen nicht mehr die Realität - sie liegen oftmals in den Kliniken.“
Angesichts der hohen Beatmungszahlen stellen die Autoren die Frage, ob vor allem Senioren in der Bundesrepublik übertherapiert werden. Laut ihnen kann die Studie diese Frage aber nicht beantworten. Ein möglicher Grund könnte die hohe Anzahl von Menschen mit chronischen Krankheiten sein, bedingt durch Faktoren wie den hohen Tabakkonsum in Deutschland. Fest steht jedoch, dass die Beatmung von Patienten den Kliniken in Deutschland finanzielle Vorteile bringt. Ökonomische Motive könnten daher eine Rolle spielen.
The Lancet Regional Health – Europe, doi: 10.1016/j.lanepe.2024.100954