Robert Klatt
Ein neues Mittel auf Basis von Insektenbestandteilen kann Blutungen schneller stoppen als die bisher verwendeten Hämostyptika. Weil bereits Minuten über Leben oder Tod entscheiden können, hat das Mittel das Potenzial Million von Menschenleben zu retten.
Boston (U.S.A.). Unkontrollierte Blutungen sind für etwa ein Drittel der jährlich über fünf Millionen Todesfälle durch Verletzungen verantwortlich. Besonders oft sterben daran Menschen, die Blutverdünner einnehmen müssen. In der Medizin kommen deshalb blutstillende Mittel (Hämostyptikum), die im Optimalfall schwere Blutungen schnell stoppen können, über einen längeren Zeitraum wirken, keine Nebenwirkungen auslösen und nach der Behandlung wieder leicht entfernt werden können. Im klinischen Alltag werden vor allem Mittel auf Basis von Kaolin (Porzellanerde) sowie mit Chitosan versetzter Mull (Chitosan-Gaze) verwendet.
Weil diese blutstillenden Mittel bisher nicht perfekt sind, haben Forscher der Harvard Medical School (HMS) noch besseren Alternativen gesucht. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin PNAS haben sie eine optimierte Wundauflage auf Basis von Chitosan entwickelt, die alle zuvor erhältlichen Medikamente deutlich übertrifft.
Chitosan wird produziert, indem man von Chitin, einem Stoff, der unter anderem in Krebs, und Insektenschalen vorkommt, eine Acetylgruppe abspaltet. Die Chitosanoberfläche erhält dadurch eine positive Ladung, die negativ geladene Blutbestandteile bindet und dadurch die Blutgerinnung beschleunigt.
Die Alternative der HMS ist eine poröse Wundauflage, deren Struktur Lungenbläschen ähnelt. Bei Experimenten mit unterschiedlichen Oberflächen erzielte eine Struktur mit kugelförmigen Poren die besten Ergebnisse. Anschließende Versuche im Labor zeigten, dass die neue Wundauflage die Blutgerinnung stärker aktiviert als die bislang erhältlichen Kaolin- und Chitosanmittel. In Tierversuchen mit Nagetieren und Schweinen, denen die Forscher Leberverletzungen zufügten, hat das Hämostyptikum selbst starke Blutungen innerhalb weniger Minuten gestoppt.
Anschließend haben die Forscher das Mittel mit Menschen erprobt, denen in eine Arterie am Unterarm ein Herzkatheter eingesetzt wurde. Die Probanden nahmen zuvor einen Gerinnungshemmer ein. Als der Herzkatheter abgezogen wurde, hat die neue poröse Wundauflage die starke Blutung innerhalb von maximal neun Minuten gestoppt. Dies ist deutlich schneller als die bislang verwendeten Kaolin- und Chitosanmittel, die oft länger als eine halbe Stunde dafür benötigen.
PNAS, doi: 10.1073/pnas.2316170121