Robert Klatt
In Deutschland haben Erwachsene während der Covid-19-Pandemie im Mittel 6,5 Kilogramm zugenommen. Eine Studie zeigt nun, ob die Betroffenen mit einer klassischen Diät oder mit dem Intervallfasten das überschüssige Gewicht am schnellsten wieder verlieren können.
Bath (England). In Deutschland hat laut einer Umfrage des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin (EKFZ) der Technischen Universität München (TUM) und des Meinungsforschungsinstituts Forsa unter 1.005 Personen zwischen 18 und 70 Jahren mehr als ein Drittel (35 %) während der Covid-19-Pandemie zugenommen. Im Mittel liegt die Gewichtszunahme bei 6,5 Kilogramm.
„Leider haben es viele Menschen in der Corona-Pandemie nicht geschafft, ihr Gewicht im Griff zu behalten. Es ist damit zu rechnen, dass wir demnächst einen Anstieg der Neuerkrankungen von Typ 2 Diabetes sehen werden“, erklärt Hans Hauner, Professor für Ernährungsmedizin an der TUM und Leiter des EKFZ für Ernährungsmedizin.
Als Gegenmaßnahmen empfiehlt Hauner eine bessere Aufklärung über die gesundheitlichen Auswirkungen von Übergewicht sowie konkrete Maßnahmen, die den Betroffenen beim Abnehmen helfen. Ähnliche Empfehlungen sprach kürzlich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus, laut der Übergewicht und Fettleibigkeit in Europa bereits epidemische Ausmaße erreicht haben.
„Viele Menschen mit einem Gewichtsproblem benötigen Hilfe von außen. Die Gesundheitspolitik könnte Kampagnen auf den Weg bringen, um Menschen zu motivieren und zu unterstützen“, so Hauner.
In den sozialen Netzwerken verwenden Betroffene oft Hashtags wie #Coronakilos oder #Quarantänekilos, wenn sie darüber reden, dass sie ihr Gewicht wieder reduzieren möchten. Besonders beliebt ist dabei das sogenannte Intervallfasten, eine Diätform, bei der 16 Stunden lang gefastet und acht Stunden lang gegessen wird. Eine Studie der University of Bath hat nun untersucht, ob das Intervallfasten tatsächlich Vorteile gegenüber einer klassischen Diät bietet oder ob die Ergebnisse einer klassischen Diät mit einem detaillierten Diätplan identisch sind.
Laut der Publikation im Fachmagazin Science Translational Medicine nahmen an der Studie 36 Probanden teil, die in drei unterschiedliche Diätgruppenunterteilt wurden. Die Teilnehmer der ersten Gruppe aßen einen Tag nichts und nahmen am Folgetag 150 Prozent ihres Kalorienbedarfs zu sich. In der zweiten Gruppe aßen die Probanden täglich 75 Prozent ihres Kalorienbedarfs. Die Probanden aus der dritten Gruppe aßen einen Tag nichts und konsumierten am nächsten Tag 200 Prozent ihres Kalorienbedarfs. Im Mittel konsumierten die Probanden aus den ersten und zweiten Gruppe also 75 Prozent ihres Kalorienbedarfs und die Probanden der dritten Gruppe 100 Prozent ihres Kalorienbedarfs.
Am Ende des dreiwöchigen Studienzeitraums war bei den Probanden aus der zweiten Gruppe mit der klassischen Diät der Gewichts- und Fettverluste am größten. Im Durchschnitt konnten die Menschen aus dieser Gruppe 1,57 Kilogramm verlieren. Die Probanden aus der Intervallfastengruppe verloren im Mittel nur 0,74 Kilogramm Gewicht. Zudem reduzierten sie ihre körperliche Aktivität deutlich. Gewichts- und Fettverluste traten in der dritten Gruppe nicht auf.
Laut den Autoren zeigen diese Ergebnisse, dass das Intervallfasten gegenüber einer klassischen Diät bei der Gewichtsreduzierung keine Vorteile bietet. Sie erklären jedoch, dass die besondere Ernährungsform möglicherweise längerfristige Veränderungen auslöst, die im relativ kurzen Studienzeitraum nicht erfasst werden konnten.
In Kommentaren kritisieren Andreas Michaelsen und Stefan Kabisch von der Charité die Studie der University of Bath. Laut den Wissenschaftlern der Charité sollten die Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden, weil der Studienzeitraum kurz war. Zudem wurde laut Kabisch nicht berücksichtigt, dass die geringere Aktivität beim Intervallfasten zum Verlust von Muskeln führen kann.
„Die Sicherheit des Intervallfastens steht aufgrund mehrfacher wissenschaftlicher Hinweise zum Verlust von Muskelmasse infrage“, erklärt Kabisch.
Außerdem kritisiert Michaelsen, dass die laut der Studie wirksamste Methode nur bedingt alltagstauglich ist.
„Derzeit empfehle ich das TRF-Fasten, das in der klinischen Praxis gegenüber einer kontinuierlichen 25 Prozent kalorischen Energiereduktion nachhaltiger umsetzbar ist. Immer 25 Prozent weniger zu essen schaffen nur sehr wenige, äußerst disziplinierte Menschen“, so der Ernährungsexperte.
Science Translational Medicine, doi: 10.1126/scitranslmed.abd8034