Robert Klatt
Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Metamizol gehören in Deutschland zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten. Der Einsatz ist jedoch umschritten, weil das Analgetikum eine Agranulozytose auslösen kann.
Berlin (Deutschland). In Deutschland gehören Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Metamizol, darunter Novaminsulfon und Novalgin, zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten. In Krankenhäusern und Altersheimen bekommen das Analgetikum, das als Novaminsulfon mit Onlineberatung auch im Internet bestellt werden kann, mehr als die Hälfte der Patienten.
Weil der Wirkstoff Metamizol in seltenen Fällen die lebensgefährliche Nebenwirkung Agranulozytose, bei der es zu einer schweren Störung der Blutbildung kommt, auslösen kann, ist der Einsatz in der Medizin jedoch umstritten. Doch wie gefährlich sind Novaminsulfon, Novalgin und andere Medikamente mit dem Wirkstoff Metamizol wirklich?
In Deutschland war Metamizol bis 1987 rezeptfrei erhältlich. Danach würde wegen des erhöhten Risikos einer Agranulozytose eine Rezeptpflicht eingeführt. Kombinationspräparte, die neben Metamizol noch andere Wirkstoffe enthalten, wurden komplett vom Markt genommen. In anderen Ländern, darunter Israel und Spanien, sind Schmerzmittel mit Metamizol, die etwa bei Koliken, Tumorschmerzen und akuten Schmerzen nach Operationen oder Verletzungen verabreicht werden, noch immer frei erhältlich.
Im Gegensatz zu Arzneimitteln aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), beispielsweise Diclofenac oder Ibuprofen, hat Metamizol keine entzündungshemmende Wirkung. Metamizol zeichnet sich jedoch durch seine schnelle Wirkung und gute Verträglichkeit aus. Darüber hinaus stehen verschiedene Darreichungsformen zur Verfügung, einschließlich Film- oder Brausetabletten, Tropfen, Injektionen oder Zäpfchen.
Obwohl Medikamente mit dem Wirkstoff Metamizol als gut verträglich gelten, kommt es in Ausnahmefällen zu einer Agranulozytose. Es handelt sich dabei um eine schwere Störung der Blutbildung, bei der der Körper deutlich weniger weiße Blutkörperchen produziert. Die Anzahl der Granulozyten, eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen, nimmt dadurch stark ab. Unentdeckt kann eine Agranulozytose lebensbedrohlich sein, weil das Immunsystem den Menschen nicht mehr schützen kann.
Die ersten Anzeichen einer Agranulozytose sind unspezifisch und ähneln einem grippalen Infekt. Typisch sind hohes Fieber, Halsschmerzen, Blutdruckabfall, Schluckbeschwerden und Abgeschlagenheit. Es besteht daher das Risiko, dass selbst erfahrene Ärzte die Blutbildungsstörung nicht erkennen.
Laut einer im Fachmagazin Basic & Clinical Pharmacology & Toxicology publizierten Studie treten die ersten Beschwerden üblicherweise 13 Tage nach der ersten Einnahme von Metamizol auf. Bei Menschen, die bereits Metamizol eingenommen haben, ist der Zeitraum typischerweise deutlich kürzer. Das Risiko nimmt mit der Dauer der Schmerzmitteleinnahme zu und sinkt mit dem zunehmenden Abstand zur letzten Einnahme. Kommt es zu entsprechenden Beschwerden, sollte der Arzt unbedingt über die Einnahme des Medikaments informiert werden.
Patienten, die betroffen sind, müssen die Behandlung unverzüglich einstellen und in Isolation gebracht werden, um sie vor möglichen Infektionen zu schützen. Die Verabreichung von Antibiotika und Infusionen unterstützt die Regeneration der Granulozyten im Körper. In der Regel stellen sich innerhalb weniger Tage eine deutliche Besserung des Zustands der Betroffenen ein.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass eine allergische Reaktion des Körpers aufgrund einer früheren Metamizol-Verabreichung, beispielsweise bei einer vergangenen Operation, zur Entstehung einer Agranulozytose führen kann. Eine Studie zeigt zudem, dass die zusätzliche Einnahme des Wirkstoffs Methotrexat einen bedeutenden Faktor für die Entwicklung einer Agranulozytose darstellt. Methotrexat zählt zu den wesentlichen Medikamenten im Kampf gegen Krebs und findet auch Anwendung bei rheumatoider Arthritis, entzündlichen Darmerkrankungen oder Psoriasis. Daher ist es für das medizinische Fachpersonal unerlässlich, Kenntnis über die in der Vergangenheit verordneten Schmerzmittel der Patientinnen und Patienten zu haben.
Weitere Studien zeigen zudem, dass freiverkäufliche Schmerzmittel wie Ibuprofen und Diclofenac ein deutlich höheres Risiko für starke Nebenwirkungen haben als Schmerzmittel mit Metamizol. Zu den Nebenwirkungen gehören Magenbluten und Nierenschäden. Außerdem treten oft kardiovaskuläre Nebenwirkungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall auf.
Ein Großteil der Schmerztherapeuten ist daher überzeugt, dass Metamizol trotz der seltenen Nebenwirkung ein effektives Schmerzmittel ist, dessen Risiko für starke Nebenwirkungen geringer als bei den meisten freiverkäuflichen Schmerzmitteln ist.
Basic & Clinical Pharmacology & Toxicology, doi: 10.1111/bcpt.13310