Robert Klatt
Eine KI hat ein neues Antibiotikum gegen den besonders gefährlichen, multiresistenten Keim Acinetobacter baumannii entdeckt. In Zukunft könnte die neue Technik die Medikamentensuche revolutionieren.
Hamilton (Kanada). Antimikrobiellen Resistenzen gegenüber Antibiotika (AMR) gehören laut Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den häufigsten Todesursachen der Welt. An Infektionen mit multiresistenten Bakterien sterben demnach mehr Menschen als an Malaria und Aids. Besonders problematisch an den multiresistenten Krankheitserregern ist, dass diese primär in Krankenhäusern auftauchen, wo sich viele Menschen mit einem geschwächten Immunsystem aufhalten. Zudem können Bakterien dort durch den Kontakt mit unterschiedlichen Medikamenten ihre Resistenzen ausbauen.
Laut der WHO werden deshalb dringend neue Antibiotika benötigt. Weil herkömmliche Forschungsmethoden kostenintensiv und zeitaufwendig sind, haben Wissenschaftler der McMaster University (Mac) eine Künstliche Intelligenz (KI) verwendet, um ein neues Antibiotikum gegen das multiresistente Bakterium Acinetobacter baumannii zu finden.
Das Bakterium Acinetobacter baumannii ist laut der WHO einer der riskantesten Antibiotika-resistenten Krankheitserreger, weil er verschiedenste Infektionen wie Lungen- und Hirnhautentzündungen sowie Wundinfektionen verursachen kann. Zudem kann das Bakterium DNS-Bestandteile anderer Organismen integrieren und dadurch vornehmlich in Krankenhausumgebungen seine Antibiotikaresistenz schnell ausbauen.
Laut den Wissenschaftlern um Jonathan M. Stokes sind die meisten aktuellen Antibiotika problematisch, weil sie bei unterschiedlichen Bakterien wirken. Der Grund dafür liegt in der schädigenden Wirkung auf das Magenmikrobiom und in der Förderung von Mehrfachresistenzen. Laut der Publikation im Fachmagazin Nature Chemical Biology haben sie deshalb nach einem Antibiotikum gesucht, das nur bei Acinetobacter baumannii wirkt.
Wie sie erkläre, war es durch die KI möglich, weite Spektren chemischer Verbindungen zu analysieren und spezifische Moleküle zu identifizieren, die eine zielgerichtete und effiziente Bekämpfung spezieller Krankheitserreger ermöglichen. Ein solches Molekül, benannt als Abaucin, wurde speziell für den Kampf gegen Acinetobacter baumannii entwickelt und hat bereits seine Wirksamkeit bei der Behandlung von Infektionen bei Mäusen unter Beweis gestellt.
Die Studienautoren sind aufgrund ihres Erfolgs überzeugt, dass der Einsatz von KI die Medikamentensuche revolutionieren wird.
„Wir wissen, dass Breitspektrum-Antibiotika suboptimal sind und dass Krankheitserreger die Fähigkeit besitzen, sich zu entwickeln und sich auf jede Strategie, die wir anwenden, anzupassen. Künstliche Intelligenz ermöglicht uns, die Geschwindigkeit, mit der wir neue Antibiotika entdecken, enorm zu steigern, und das zu reduzierten Kosten. Dies ist ein wichtiger Forschungsbereich für neue Antibiotika-Medikamente.“
Nature Chemical Biology, doi: 10.1038/s41589-023-01349-8