Robert Klatt
Bei Babys aus ärmeren Familien fördert Kindergeld laut EEG-Untersuchungen die Entwicklung des Gehirns.
New York (U.S.A.). Es ist seit Langem bekannt, dass das Einkommen der Eltern mit der Bildung der Kinder korreliert. Kinder aus ärmeren Familien haben im Mittel in der Schule schlechtere Noten, einen niedrigeren Bildungsabschluss und erreichen als Erwachsene ein niedrigeres Einkommen. Auch in neurokognitiven Tests etwa zu exekutiven Funktionen erzielen Kinder aus armen Haushalten unterdurchschnittliche Ergebnisse. Zudem zeigen bildgebenden Verfahren, dass Hirnareale, die für diese Leistungen notwendig sind, bei Kindern aus ärmeren Familien im Mittel eine verminderte Ausdehnung besitzen.
Die Auswirkungen der ökonomischen Nachteile werden auch im EEG sichtbar. Besonders die Zunahme der Leistungsdichte („Power“), die normalerweise in den ersten zwölf Lebensmonaten eines Babys erfolgt, ist bei Nachkommen aus ärmeren Haushalten oft schwächer.
Im Rahmen der Studie Baby’s First Years Studie wird deshalb untersucht, ob und wie man Veränderungen des EEGs bei Babys auslösen kann. Wissenschaftler des Teachers College führten dazu eine Studie durch, die untersucht, ob Geldzahlungen an die Eltern die Entwicklung des Gehirns des Kindes beeinflussen. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin PNAS nehmen seit Mai 2019 1.000 Mütter eines gesunden Kindes aus vier Großstädten der U.S.A. teil. Diese erhalten randomisiert entweder 333 US-Dollar oder 20 US-Dollar pro Monat.
Als Gegenleistung mussten sie zustimmen, dass ihr Kind in den ersten vier Lebensjahren untersucht werden darf. Ein Großteil der Mütter stammt als ärmeren Familien mit einem Jahreseinkommen von etwa 20.000 US-Dollar. Die Geldzahlungen von 3.996 US-Dollar erhöhen das Einkommen somit um eine ein Fünftel (20 %).
Im Juli 2020 analysierten die Forscher die Hirnentwicklung von 435 Babys mittels 20-Kanal-EEG. Geplant war ursprünglich die Untersuchung aller Kinder. Dies war aufgrund der Covid-19-Pandemie jedoch nicht möglich. Ein Teil der Untersuchungen musste zudem abgebrochen werden, weil die Babys sich weigerten, die EEG-Haube zu tragen.
Die EEG-Untersuchungen zeigen, dass Kinder aus Familien, die monatlich 333 US-Dollar erhielten, eine höhere Leistungsdichte („Power“) im Bereich der Beta- und Gamma-Wellen hatten als die Kontrollgruppe. Laut den Forschern zeigt dies, dass sich ein Kindergeld bei ärmeren Familien positiv auf die Hirnentwicklung des Kindes im ersten Lebensjahr auswirkt. Die Effektstärke war im Gamma-Band mit 0,23 und im Beta-Band mit 0,26 jedoch recht gering.
Wie sich die Unterschiede in der Hirnentwicklung im späteren Leben auswirken, ist noch unklar. Laut Studien ist eine Zunahme der „Power“ im kurzwelligen Bereich jedoch ein Indiz für eine höhere kognitive Leistungsfähigkeit im späteren Leben. Ob dies auch auf die Probanden zutrifft, werden Untersuchungen in den kommenden Jahren zeigen. Das Kindergeld wird dafür währenddessen weiterhin ausgezahlt.
PNAS, doi: 10.1073/pnas.2115649119