Robert Klatt
Ein hoher Salzkonsum ist zwar ungesund, aktiviert aber tumortötende Immunzellen. Diese können dadurch Krebszellen effektiver töten und dadurch Tumore verkleinern.
Jena (Deutschland). Die Zellen des Menschen brauchen für unterschiedliche Austausch- und Transportprozesse Natrium, das der Körper vor allem durch Natriumchlorid (Kochsalz) aufnimmt. Ein zu hoher Salzkonsum schadet der Gesundheit jedoch, etwa indem das Immunsystem geschwächt wird. Dies liegt unter anderem daran, dass der Körper bei einem Salzüberschuss Substanzen produziert, die die Bekämpfung von Bakterien stören.
Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) haben nun entdeckt, dass Kochsalz bei der Behandlung von Krebs helfen kann. Laut der Publikation im Fachmagazin Nature Immunology haben die Forscher untersucht, ob CD8+-T-Zellen, die Krebszellen erkennen und abtöten, auf eine hohe Konzentration von Kochsalz reagieren. Laut Shan Sun vom HKI haben die Forscher bereits in ältere Studien festgestellt, dass eine erhöhte Kochsalzkonzentration andere Zellen des Immunsystems aktiviert.
„Frühere Forschungsergebnisse zeigten bereits, dass Natrium andere T-Zelltypen reguliert, die an Autoimmunerkrankungen und Allergien beteiligt sind.“
Experimente der Forscher zeigen, dass eine hohe Salzkonzentration tatsächlich das Immunsystem, speziell die CD8+-T-Zellen, aktiviert. Diese Zellen können bei einer guten Verfügbarkeit von Natrium ihre Aufnahme von Zucker und Aminosäuren erhöhen und erhalten dadurch mehr Energie, was wiederum zu einer höheren Produktion der cytotoxischen Botenstoffe führt. Um diesen Prozess auszulösen, ist lediglich eine kurzzeitige, erhöhte Salzverfügbarkeit nötig.
„Die Transkription der CD8+ T-Zellen nach erhöhter Salzdosis ähnelt der von tumorspezifischen T-Zellen, die durch eine Immuntherapie mittels Checkpoint-Inhibitoren aktiviert wurden.“
Laboruntersuchungen mit Zellkulturen von Brustkrebs- und Melanomzellen sowie Tierversuche mit Mäusen mit Bauchspeicheldrüsenkrebs zeigen, dass die durch Kochsalz aktivieren T-Zellen in allen Fällen Krebstumore schneller und besser bekämpfen als unbehandelte T-Zellen. Die „gesalzenen“ T-Zellen sind nicht nur aktiver, sondern haben auch stärkere Angriffe.
„Das Salz schützt die T-Zellen außerdem vor zu schneller Erschöpfung. Das ist wichtig, weil erschöpfte T-Zellen nach und nach ihre Fähigkeit verlieren, Krebszellen zu bekämpfen.“
Bei den Mäusen wurde diese Wirkung bereits beobachtet, wenn diese mehrere Tage vor den Versuchen Futter mit einem hohen Salzgehalt erhalten haben. Laut den Forschern sollte diese extrem salzreiche Ernährung aber nicht von Menschen übernommen werden, weil die hohe Salzaufnahme permanente Gesundheitsschäden auslösen könnte. Stattdessen könnten die Zellen in der CAR-T-Immuntherapie mit Kochsalz aktiviert werden, bevor sie wieder in den Körper des Patienten gelangen.
„Ein kurzer Natriumchlorid-Überschuss während der Produktion von Anti-Tumorzellen wie den CAR-T-Zellen ist unseren Daten zufolge ein effektives Mittel, um ihre Potenz nach dem Rücktransfer zu erhöhen.“
Nature Immunology, doi: 10.1038/s41590-024-01918-6