Robert Klatt
Kokain verursacht kurzfristig Euphorie, stört aber langfristig das Glücksempfinden im Gehirn. Eine Studie hat nun die dabei ablaufenden Prozesse analysiert.
New York City (U.S.A.). Kokain gehört laut Daten des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) zu den beliebtesten Drogen der Welt. Wie Abwasseranalysen der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) zeigen, wird Kokain auch in Deutschland oft konsumiert, obwohl das Rauschmittel hierzulande illegal ist.
Die große Beliebtheit und das Suchtpotenzial von Kokain liegt primär in der Wirkung auf das Belohnungszentrum im Gehirn, wo die Droge Euphorie verursacht und den Eindruck einer erhöhten Leistungsfähigkeit vermittelt. Verursacht wird der sogenannte „Kokainrausch“ durch eine starke Erhöhung der Neurotransmitter Serotonin und Dopamin.
Wissenschaftler der Icahn School of Medicine at Mount Sinai (ISMMS) um Rita Goldstein haben nun erforscht, wie die Droge den Signalübertragung von Dopamin, das auch als Glückshormon bezeichnet wird, beeinflusst und wie dies das Belohnungssystem und das Glücksempfinden des Menschen verändert.
Die Wissenschaft hat bereits in früheren Studien ermittelt, dass Kokain kurzzeitig aufhellend und euphorisierend wirkt, indem es das mesolimbische System des Gehirns aktiviert. Bei einem häufigen Konsum kommt es zu einer Überstimulation, die dazu führt, dass die Freude bei positiven Erlebnissen weniger stark ist. Dies resultiert vermutlich aus einer Störung im Abgleich von erwarteten Belohnungsgefühlen basierend auf vorherigen Erfahrungen und den tatsächlich erlebten Belohnungen. Welche Bereiche des Dopamin-Signalwegs hierbei eine Rolle spielen, war bisher ungewiss.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Neuron haben die Forscher die neuronale Aktivität von Menschen mit Kokainsucht mit der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) untersucht und diese mit gesunden Menschen verglichen.
Dazu mussten sich die Probanden zwischen einer sicheren Geldbelohnung und einer riskanteren Option entscheiden, bei der sie entweder mehr oder weniger Geld gewinnen konnten. Die Forscher untersuchten die Gehirnaktivität während der Entscheidungs- und der Belohnungsphase, um Unterschiede zwischen den beiden Gruppen herauszufinden.
Die Analysen zeigen, dass bei beiden Probanden die Belohnungserwartung ähnlich stark war. Die Belohnungssignale der Kokainsüchtigen waren aber deutlich schwächer als bei Menschen, die die Droge nicht konsumieren.
„Das verringerte Belohnungssignal scheint sich auch auf andere Hirnregionen auszubreiten, die diese Informationen erhalten, um dann die Erwartungen für die nächste Situation zu aktualisieren.“
Überdies zeigt die Studie, dass kokainsüchtige Menschen tendenziell risikobereiter sind. Dieses Verhalten war besonders stark bei denjenigen zu beobachten, die bereits in jungen Jahren mit dem Konsum der Droge angefangen hatten.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Maßnahmen, die die Wahrnehmung der erhaltenen Belohnungen verbessern, ein wertvoller Bestandteil der Suchtbehandlung sein könnten. Sucht ist eine Störung und keine Wahl oder moralische Schwäche.“
Neuron, doi: 10.1016/j.neuron.2023.09.015