Robert Klatt
In den Industrieländern hat Krebs Herz-Kreislauf-Erkrankungen als häufigste Todesursache abgelöst. Eine ähnliche Entwicklung wird in ärmeren Ländern in den nächsten Jahrzehnten folgen. Die Wissenschaftlern fordern deshalb, dass mehr in die Krebs-Prävention investiert werden muss.
Hamilton (Kanada). Global betrachtet sterben derzeit am meisten Menschen der Altersgruppe bis zu 70 Jahren an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Laut einer Studie der kanadischen McMaster University hat sich in den Industrieländer in den letzten Jahren Krebs zur häufigsten Todesursache entwickelt. Ausgewertet haben die Wissenschaftler für ihre Studie Daten von 162.500 Erwachsenen zwischen 35 und 70 Jahren aus 21 Ländern. Die Probanden stammen sowohl aus reichen Länder, Schwellenländer und Entwicklungsländer.
Laut den Ergebnissen der im Fachmagazin The Lancet publizierten Studie sind kardiovaskuläre Erkrankungen für 40 Prozent aller Todesfälle verantwortlich, Krebs liegt mit 26 Prozent aller Todesfälle global auf dem zweiten Platz. Je nach Region gibt es jedoch deutlich Unterschiede.
Obwohl die Anzahl der fettleibigen Menschen in Industrienationen wie den U.S.A. stetig zunimmt und auch andere Risikofaktoren die Herz- und Gefäßprobleme begünstigen dort weit verbreitet sind nimmt die Anzahl der Personen, die an Herzinfarkten und ähnlichen Ereignissen sterben ab. Krebs ist hingegen inzwischen in diesen Ländern eine doppelt so häufige Todesursache wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Leider liefert die Studie keine Informationen darüber, ob diese Entwicklung auch in Deutschland eingetreten ist, da die Wissenschaftler bei den reichen Ländern lediglich Kanada, Schweden und Saudi-Arabien betrachtet haben. Offiziell vorliegende Daten zeigen aber auch, dass in Deutschland die Anzahl der Menschen, die aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben immer geringer wird. Salim Yussuf, Co-Autor der Studie erklärt, dass „die Ergebnisse zeigen, dass wir gerade einen entscheidenden Wandel bei den Todesursachen im mittleren Alter erleben.“
Hauptverantwortlich für diese Entwicklung sind laut den Studienautoren die besseren Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die aktuell aber fast nur Menschen in Industrieländern nutzen können. Da in den kommenden Jahrzehnten sehr wahrscheinlich auch Schwellen- und Entwicklungsländer eine bessere Gesundheitsversorgung erhalten werden, wird auch dort die Anzahl der durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterbenden Menschen zurückgehen und die Anzahl der Krebstoten steigen.
Aufgrund der eindeutigen Studienergebnisse fordern die Wissenschaftler, dass in der Medizin vermehrt an der Vorbeugung von Krebs gearbeitet wird. Darryl Leong. Co-Autor der Studie konstatiert, dass „die Bemühungen, kardiovaskuläre Erkrankungen zu verhindern und zu behandeln, zwar weitergehen sollten, daneben aber noch neue Anstrengungen für die Reduzierung von Krebsfällen nötig sind.“
The Lancet, doi: 10.1016/S0140-6736(19)32007-0