Robert Klatt
Eine Infektion mit einem der ungefährlichen endemischen Coronaviren kann eine Kreuzimmunität auslösen, die vor SARS-CoV-2 schützt.
London (England). Ein Team des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik (MPIMG) und der Charité haben schon vor Längerem eine Kreuzreaktivität entdeckt, die dafür sorgt, dass Gedächtniszellen des Immunsystems, die durch den Kontakt mit heimischen Coronaviren entstanden sind, auch das Spike-Protein von SARS-CoV-2 erkennen können. Ob diese Kreuzreaktivität tatsächlich vor eine Infektion mit dem neuen Coronavirus schützt, hat die Studie jedoch nicht untersucht.
Wissenschaftler des Imperial College London haben nun eine Studie publiziert, laut der eine Infektion mit einem der in Europa endemischen Coronaviren tatsächlich zu einer Kreuzimmunität führt. Laut der Publikation im Fachmagazin Nature Communications könnte eine überstandene Erkältung demnach vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 schützen, weil die dabei produzierten T-Zellen auch das neue Coronavirus erkennen und bekämpfen.
„Der Kontakt mit dem SARS-CoV-2-Virus führt nicht immer zu einer Infektion, und wir wollten unbedingt verstehen, warum. Wir fanden heraus, dass ein hoher Anteil bereits vorhandener T-Zellen, die der Körper bei einer Infektion mit anderen menschlichen Coronaviren wie der Erkältung erzeugt, vor einer Covid-19-Infektion schützen kann“, erklärt Dr. Rhia Kundu vom National Heart & Lung Institute am Imperial College.
Begonnen wurde die Studie bereits im September 2020, als in Großbritannien die meisten Personen noch keinen Kontakt zum neuen Coronavirus hatten oder gegen diese geimpft waren. Auch die Probanden der Studie waren nicht geimpft, lebten jedoch mit Personen zusammen, die einen positiven PCR-Test hatten.
Um zu untersuchen, ob sich die Probanden nach ihrem Kontakt mit dem Virus auch infizieren, führten die Wissenschaftler zu Beginn der Studie, nach vier und nach sieben Tagen PCR-Tests durch. Außerdem wurden den Teilnehmern Blutproben entnommen. Diese wurden verwendet, um die Anzahl der bereits vorhandenen T-Zellen zu ermitteln, die bei früheren Infektionen mit anderen Coronaviren entstanden sind.
26 der 52 Teilnehmer (50 %) infizierte sich trotz des Kontakts mit dem Virus nicht mit SARS-CoV-2. Die Analyse der Blutproben zeigt, dass es sich dabei um Personen handelt, die deutlich mehr Corona-spezifischen T-Zellen besaßen als die Teilnehmer, die sich mit SARS-CoV-2 infizierten.
„Wir haben herausgefunden, dass eine hohe Anzahl bereits vorhandener T-Zellen, die der Körper bei der Infektion mit anderen humanen Coronaviren wie der Erkältung bildet, vor einer COVID-19-Infektion schützen kann. Unsere Studie liefert den bisher klarsten Beweis dafür, dass durch Erkältungs-Coronaviren induzierte T-Zellen eine schützende Rolle gegen SARS-CoV-2 spielen. Diese T-Zellen bieten Schutz, indem sie Proteine innerhalb des Virus angreifen, anstatt das Spike-Protein auf seiner Oberfläche“, erklärt Kundu.
Die aktuellen Impfstoffe greifen statt der Proteine im Inneren des Virus dessen Spike-Protein an, das sich durch Mutationen permanent verändert. Die Proteine im Virusinneren sind hingegen auch bei der Omikron-Variante fast unverändert. „Neue Impfstoffe, die diese konservierten internen Proteine enthalten, würden daher weitgehend schützende T-Zell-Reaktionen induzieren, die vor aktuellen und zukünftigen SARS-CoV-2-Varianten schützen sollten“, so Professor Ajit Lalvani Direktor der NIHR Respiratory Infections Health Protection Research Unit des Imperial College London.
Die Autoren betonen jedoch, dass eine durchgemachte Erkältung nicht sicher einen Immunschutz vor dem neuen Coronavirus verursacht. „Dies ist zwar eine wichtige Entdeckung, aber nur eine Form des Schutzes, und ich möchte betonen, dass sich niemand allein darauf verlassen sollte. Stattdessen ist der beste Weg, sich gegen Covid-19 zu schützen, die vollständige Impfung, einschließlich der Booster-Impfung“, so Kundu.
Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-021-27674-x