Robert Klatt
Eine neue Künstliche Intelligenz (KI) kann anhand von EKGs potenziell tödliche Herzrhythmusstörungen lange vor ihrem Auftreten prognostizieren. Das System soll in Zukunft die kardiologische Vorsorge und Notfallmedizin verbessern.
Paris (Frankreich). Global sterben etwa fünf Millionen Menschen jährlich an einem plötzlichen Herztod, der oft ohne vorherige Symptome oder bekannte Vorerkrankungen des Herzens auftritt. Forscher Université Paris Cité haben nun entdeckt, dass eine Künstliche Intelligenz (KI) lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen bereits zwei Wochen vor ihrem Auftreten prognostizieren kann.
Laut der Publikation im European Heart Journal war es das Ziel der Studie, die Funktionsweise des menschlichen Gehirns zu imitieren, um die Prognose von plötzlichen Herztodesfällen zu verbessern. Die KI hat dazu Daten von mehr als 240.000 Langzeit-Elektrokardiogrammen (EKGs) analysiert, die insgesamt mehrere Millionen Stunden an Herzschlägen umfassen.
Mithilfe der umfassenden Trainingsdaten hat die KI gelernt, sogenannte „schwache Signale“ zu erkennen. Es handelt sich dabei um minimale Abweichungen, die auf ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen hindeuten. Der Fokus lag dabei auf der Dauer der elektrischen Erregung und Erholung der Herzkammern innerhalb eines vollständigen Herzzyklus.
Obwohl die KI sich noch in einer frühen Testphase befindet, konnte sie anhand der EKGs Risikopatienten mit hoher Genauigkeit erkennen (70 %) und nicht bestehende Risiken für Herzrhythmusstörungen mit hoher Genauigkeit ausschließen (99,9 %).
„Indem wir elektrische Signale über 24 Stunden hinweg analysierten, konnten wir Patienten identifizieren, die in den folgenden zwei Wochen eine schwerwiegende Herzrhythmusstörung entwickeln könnten. Bleibt diese unbehandelt, kann sie in einen tödlichen Herzstillstand übergehen.“
Laut den Forschern soll das System in Zukunft in der kardiologischen Vorsorge und Notfallmedizin verwendet werden, um potenzielle Herzrhythmusstörungen lange vor ihrem Auftreten prognostizieren zu können. Die KI könnte dazu gefährdete Patienten in Krankenhäusern kontinuierlich überwachen. Denkbar ist auch, dass das System in mobilen Geräten wie Blutdruckmessern oder Smartwatches integriert wird, um Menschen frühzeitig zu warnen. Ärzte können dann entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten.
„Was wir hier vorschlagen, ist ein Paradigmenwechsel in der Vorbeugung des plötzlichen Herztods. Bislang versuchten wir, Risiken im mittleren oder langfristigen Verlauf zu erkennen, waren aber nicht in der Lage, vorherzusagen, was in den Minuten, Stunden oder Tagen vor einem Herzstillstand geschieht. Jetzt können wir dank künstlicher Intelligenz auch kurzfristige Risiken erkennen – und möglicherweise rechtzeitig reagieren.“
Angesichts der positiven Ergebnisse planen die Forscher aktuell eine klinische Studie, die die Wirksamkeit der KI unter Realbedingungen untersuchen soll.
„Diese Technologie muss in klinischen Studien validiert werden, bevor sie im medizinischen Alltag eingesetzt werden kann. Aber unsere bisherigen Ergebnisse zeigen bereits: KI hat das Potenzial, die Prävention schwerer Arrhythmien grundlegend zu verändern.“
European Heart Journal, doi: 10.1093/eurheartj/ehaf073