Robert Klatt
Lachgas wird seit einigen Jahren als Droge missbraucht. Patientendaten zeigen nun, wie oft eine Überdosis des Betäubungsmittels zu Rückenmarks- und Nervenschäden führt.
Saint-Denis (Frankreich). In der Medizin wird Lachgas (Distickstoffmonoxid) seit mehr als 200 Jahren als Betäubungsmittel verwendet, um Patienten kurzzeitig zu narkotisieren. Dabei werden unter ärztlicher Aufsicht aber nur geringe Mengen verwendet, die der Gesundheit des Menschen nicht schaden. In Deutschland und vielen anderen Ländern wird Lachgas seit einigen Jahren vermehrt als Droge missbraucht. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene atmen Lachgas aus Ballons ein, um eine nur wenige Minuten anhaltende Rauschwirkung zu erleben. Weil das Gas dabei oft überdosiert wird, kann es jedoch zu signifikanten Langzeitschäden kommen.
Eine Überdosis Lachgas kann im Körper einen funktionellen Mangel an Vitamin B12 auslösen. Es kann dadurch zu Schäden am Nervensystem kommen, die zu tauben Füßen und Händen führen. Im besonders schlimmen Fällen kommt es zu einer permanenten Lähmung, deren Symtome durch die Einnahme von Vitamin B12 nicht vollkommen rückgängig gemacht werden können. Außerdem kann eine Überdosis Lachgas zu Schäden an Herzen und Lunge führen und die Blutbildung stören. Es kann dadurch zu Herzrhythmusstörungen, Schlaganfällen und Atemproblemen kommen, die teilweise im Ersticken enden.
Forscher des Centre Hospitalier de Saint-Denis haben nun untersucht, wie viele Lachgaskonsumenten im Krankenhaus behandelt werden müssen und welche Gesundheitsschäden bei ihnen auftreten. Laut ihrer Publikation im Journal of Neurology haben sie dazu Daten von Menschen mit schweren Lachgasvergiftungen untersucht, die im Großraum Paris zwischen 2018 und 2021 stationär behandelt werden.
Die Patientendaten zeigen, dass bei schweren Lachgasvergiftungen oft Schäden am Rückenmark (25 %), Schäden am Nervensystem (37 %) oder eine Kombination daraus (38 %) auftreten. Die Symptome traten nur in Ausnahmefällen unmittelbar nachdem Drogenkonsum auf. Bei den meisten Patienten kam es erst zwei und zwölf Monaten nach dem Lachgaskonsum zu Symptomen. Ein Großteil der Lachgaspatienten waren junge Erwachsene im Alter von 20 bis 25 Jahren aus schlechten sozioökonomischen Bedingungen (60 %), darunter viele Arbeitslose (37 %).
Die analysierten Daten zeigen zudem den Verlauf des Trends. Bis Ende 2019 wurden im Großraum Paris keine entsprechenden Fälle dokumentiert. Ab 2020 nahm die Häufigkeit der Lachgasvergiftungen deutlich zu und erreichte Mitte 2021 ihren bisherigen Höhepunkt. Die Studie belegt, dass die Inzidenz der durch Lachgas verursachten Nervenschäden in der betroffenen Altersgruppe höher als bei vergleichbaren nicht durch Lachgas ausgelösten Störungen ist. Es kommt bei 7,48 von 100.000 Personen durch den Lachgaskonsum zu schweren Nervenschäden. Rückenmarksentzündungen und das Guillain-Barré-Syndrom treten hingegen nur bei 0,35 beziehungsweise 2,47 von 100.000 Personen auf.
Laut den Studienautoren zeigen die Daten deutlich, dass junge Menschen zunehmend gesundheitsschädliche Lachgasmengen konsumieren. Sie fordert deshalb die Politik dazu auf, Aufklärungskampagnen zu schaffen und neue Gesetze zu erlassen. Auch in Deutschland ist Lachgas als Partydroge ein bekanntes Problem, obwohl bisher keine Daten zu Konsummengen und Langzeitfolgen vorliegen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie führt aktuell eine Umfrage durch, um das Ausmaß des Problems zu erfassen. Sie fordert bereits jetzt gesetzliche Regelungen, die den Verkauf von Lachgas an Privatpersonen einschränken, da der Verkauf und Konsum in Deutschland bislang nicht verboten sind.
Journal of Neurology, doi: 10.1007/s00415-024-12264-w