Robert Klatt
Lebensmittel mit Chitin, etwa Insekten, verursachen eine Reaktion des Immunsystems, die die Verdauung beeinflusst. Dies kann beim Abnehmen helfen.
St. Louis (U.S.A.). Chitin, eines der am weitesten verbreiteten Biomoleküle, bildet unter anderem die Schale von Krebstieren und das Exoskelett von Insekten. In den letzten Jahren hat die Wissenschaft das Material intensiv erforscht und unter anderem eine nachhaltige Batterie aus Hummer- und Krabbenschalen entwickelt. Forscher der Washington University School of Medicine (WUSM) um Steven Van Dyken haben nun entdeckt, dass Insekten Menschen mit Übergewicht oder Adipositas (Fettleibigkeit) beim Abnehmen helfen können.
„Fettleibigkeit ist eine Epidemie. Was wir in unseren Körper aufnehmen, hat tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Physiologie und darauf, wie wir Nahrung metabolisieren. Wir erforschen Wege, Fettleibigkeit entgegenzuwirken, basierend auf dem, was wir darüber lernen, wie das Immunsystem durch die Ernährung eingebunden wird.“
Laut der im Fachmagazin Science ist das Immunsystem an der Verdauung von Chitin beteiligt. Lebensmittel mit Chitin verursachen eine Immunantwort, die die Magenzellen dazu anregt, die Produktion von Enzymen (Chitinasen) zu erhöhen. Dies ist nötig, weil Chitin unlöslich ist und daher starke saure Bedingungen und das spezielle Enzym zur Verdauung benötigt.
Um zu untersuchen, wie sich Chitin auf den Stoffwechsel auswirkt, haben die Forscher Experimente mit keimfreien Mäusen durchgeführt, deren Darmbakterien fehlten. Dabei entdeckten die Forscher laut Do-Hyun Kim, dass Chitin Immunreaktionen in Abwesenheit von Bakterien aktiviert.
„Wir denken, dass die Chitinverdauung hauptsächlich auf den eigenen Chitinasen des Wirts beruht. Die Magenzellen ändern ihren enzymatischen Output durch einen Prozess, den wir als Anpassung bezeichnen. Aber es ist überraschend, dass dieser Prozess ohne mikrobiellen Input stattfindet, denn Bakterien im Magen-Darm-Trakt sind ebenfalls Quellen für Chitinasen, die Chitin abbauen.“
Bei Mäusen mit Darmbakterien, die chitinhaltige Lebensmittel erhielten, verändert sich die bakterielle Zusammensetzung im unteren Magen-Darm-Trakt. Dies ist laut den Autoren ein Hinweis darauf, dass auch Darmbakterien sich an chitinhaltige Nahrung anpassen, nachdem sie den Magen verlassen hat.
Die Forscher haben festgestellt, dass der größte Einfluss auf Fettleibigkeit bei Mäusen auftrat, wenn Chitin das Immunsystem aktivierte, aber nicht verdaut wurde. Mäusen, die eine fettreiche Diät erhielten, wurde ebenfalls Chitin gegeben. Einige Mäuse hatten nicht die Fähigkeit, Chitinasen zu produzieren, um Chitin abzubauen.
Die Mäuse, die Chitin aßen, aber nicht abbauen konnten, nahmen am wenigsten zu, hatten die niedrigsten Körperfettwerte und widerstanden der Fettleibigkeit im Vergleich zu Mäusen, die kein Chitin aßen und zu denen, die es taten, aber abbauen konnten. Konnten die Mäuse Chitin abbauen, profitierten sie dennoch metabolisch, passten sich jedoch an, indem sie Chitinasen überproduzierten, um Nährstoffe aus Chitin zu extrahieren.
In weiteren Studien wollen die Forscher untersuchen, ob die Effekte auch beim Menschen auftreten. Es soll so bestimmt werden, ob Chitin der menschlichen Ernährung hinzugefügt werden könnte, um Fettleibigkeit zu kontrollieren.
„Wir haben mehrere Möglichkeiten, Magenchitinasen zu hemmen. Diese Ansätze mit einem chitinhaltigen Lebensmittel zu kombinieren, könnte einen sehr realen metabolischen Nutzen haben.“
Science, doi: 10.1126/science.add5649