Geschwister-Studie

Liegt Glücksspielsucht in den Genen?

Dennis L.

Kanadische Forscher finden mit einer Geschwister-Studie zum Thema Spielsucht heraus, dass Glücksspielsucht vermutlich in den Genen liegt. )yabaxipscihpargztradam(Foto: © 

Das Thema Glücksspielsucht ist derzeit Gegenstand vieler internationaler Studien. Ein Team aus Wissenschaftlern aus Kanada hat nun den Blickwinkel auf die Krankheit geändert und geschaut, ob das zwanghafte Spielen vielleicht genetisch bedingt sein könnte. Die dazu durchgeführte Studie mit Geschwistern spricht klar dafür.

Vancouver (Kanada). Die Glücksspielsucht bzw. das pathologische oder auch zwanghafte Spielen ist eine weit verbreitete anerkannte Krankheit, die in allen sozialen Schichten verbreitet ist. Dennoch wird die Spielsucht und deren Auswirkungen, die es für die Betroffenen und deren Angehörige mit sich bringt, oft unterschätzt. Die Glücksspielsucht zählt mit zu den sogenannten stoffgebundenen Abhängigkeiten und wird bereits seit Jahren von Forschern aus der ganzen Welt studiert.

So konnten Wissenschaftler in den letzten Jahren viele neue Therapieansätze entwickeln, die beispielsweise auf den Einsatz von Virtual-Reality-Brillen beruhen. Auch ein Medikament namens Naloxon ist derzeit Gegenstand von Forschungen die in Finnland durchgeführt werden und in einer ersten Pilotstudie vielversprechende Ergebnisse liefern.

Automatenspiele, Computerspiele, Poker & Co.

Obwohl die Spielsucht viele unterschiedliche Spiele betrifft, wie beispielsweise Lotto, Computer- oder Handyspiele, so zieht es die meisten Betroffenen doch zu Glückspielen wie man sie in Spielotheken, Casinos oder auch Online-Casinos spielen kann. Selbst Sportwetten können, sobald der Spieler die Kontrolle über sein Verhalten verliert und dieses zwanghaft wird, zur Spielsucht zählen.

Die klassischen Casinos erfüllen alle rechtlichen Regelungen zum Schutz vor Spielsucht. Bei den diversen Anbietern im Internet sieht es hingegen etwas anders aus. Aus diesem Grund sollten Gelegenheitsspieler auch nur geprüfte Online-Casinos nutzen.

Ursachen für Glücksspielsucht

Wie ältere Studien zur Spielsucht gezeigt haben, sind die Ursachen für Glücksspielsucht sehr vielfältig. Ein Faktor, der bisher noch nie im Fokus der Forschung stand, ist die genetische Veranlagung zur Spielsucht. Ein Team aus kanadischen Wissenschaftlern der University of British Columbia hat nun genau diesen Aspekt der Glücksspielsucht anhand von Geschwistern untersucht und dabei erstaunliches entdeckt.

Die Wissenschaftler haben dazu Spielsüchtige und ihre Geschwister untersucht. So wollten sie feststellen, ob diese ein höheres Risiko des zwanghaften Spielens besitzen als nicht Verwandte. Die Auswertung der Studienergebnisse zeigte, dass die Spielsüchtigen und ihre Geschwister eine übereinstimmend hohe Impulsivität sowie Risikobereitschaft besitzen.

Untersuchung an Geschwisterpaaren

Da die Anzahl der sogenannten Problemspieler und an Spielsucht Erkrankten trotz aller Maßnahmen in vielen Ländern seit Jahren steigt, untersuchen Forscher auf der Suche nach den Ursachen nun auch völlig neue Aspekte. Wie die kanadischen Wissenschaftler der University of British Colombia um Eve H. Limbrick-Oldfield im fachmagazin Nature schreiben, könnte es sein, dass Spielsucht in der Familie liegt. Dies kann entweder genetische Gründe oder aber auch geteilte Umwelteinflüsse, Erlebnisse oder auch Traumata als Ursache haben.

Um für die Studie geeignete Probanden zu finden, haben sich die Wissenschaftler an die Londoner Spielsuchtklinik National Problem Gambling Clinic (NCPG) gewandt. Hier fanden sie 20 geeignete spielsüchtige Männer, die sich bereiterklärten an der Studie teilzunehmen. Auf anderen Wegen fanden die kanadischen Wissenschaftler weitere 17 Probanden die zwar selbst nicht, aber deren Geschwister an Spielsucht litten.

„Bei Spielsüchtigen lassen sich Impulsivität, risikobehaftete Entscheidungen und veränderte Belohnungsmechanismen im Gehirn beobachten. Wir wollten herausfinden, ob diese Eigenschaften bereits existierende Schwachstellen repräsentieren oder die Konsequenzen davon sind, wie das Glücksspiel das Gehirn ändert. Da Geschwister von ähnlicher Genetik und Umwelteinflüssen beeinflusst werden, haben wir diese Gruppen getestet“, erklärt Limbrick-Oldfield.

Als Teilnahmebedingung für die aktuelle Studie zählte unter anderem, dass die Probanden nicht unter anderen Suchterkrankungen litten und keine diagnostizierten Depressionen hatten. Mit allen Studienteilnehmern wurden die selben Tests durchgeführt: Befragungen, Slot-Simulationen, kognitive Tests sowie bildgebende MRT-Aufnahmen vom Gehirn.

Spielsucht und Depression sind eng verbunden

Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf besonders die Charakteristika, die im Rahmen älterer Studien bereits mit Spielsucht und anderen Suchterkrankungen in Verbindung gebracht worden sind.

Zu diesen Faktoren zählen erhöhte Risikobereitschaft, eine hohe Impulsivität, zu starke oder zu geringe Belohnungsmechanismen sowie Beeinträchtigungen in der motorischen Impulsivität (z.B. Handbewegungen, die auf Befehl des Gehirns nicht rechtzeitig gestoppt werden können). Auch die Teilnehmer dieser Spielsucht-Studie wiesen mehrere dieser Charakteristika auf, interessant ist jedoch der Vergleich mit den Geschwistern und der Kontrollgruppe, so die Wissenschaftler.

Die Gruppe der spielsüchtigen Probanden habe insgesamt einen durchschnittlichen Wert von 18 (von 27 möglichen Punkten) auf dem international standardisierten Problem Gambling Severity Index (PGSI). In den anderen Gruppen betrug der Wert mit einer Ausnahme null.

Es zeigte sich, dass die Spielsüchtigen und die Kontrollgruppe sehr ähnlich in Punkten wie Alkoholkonsum, Alter, Intelligenzquotient und Traumata waren. Lediglich die Spielsüchtigen litten signifikant häufiger an Angststörungen und Depressionen, obwohl erhöhte Depressionen auch bei den Geschwistern der Spielsüchtigen häufig auftraten.

Geschwister sind ganz ähnlich impulsiv und risikofreudig

Was die Impulsivität angeht, da haben die Wissenschaftler klare Unterschiede unter den Studienteilnehmern feststellen können. Demnach reagierten die Spielsüchtigen wesentlich impulsiver auf positive wie auch auf negative Reize als die Personen aus den Kontrollgruppen.

Interessanterweise habe man bei den Geschwistern ebenfalls eine erhöhte Impulsivität feststellen können – jedoch nur auf negative Reize. Ganz ähnlich fielen hier die Ergebnisse bei der Risikobereitschaft der Geschwister von Spielsüchtigen aus, wie die Forscher weiter scheiben.

Zusammenfassend können die Limbrick-Oldfield und ihre Kollegen sagen, dass Spielsüchtige und ihre nicht spielsüchtigen Geschwister insgesamt sehr ähnlich impulsiv und risikofreudig sind. Dies konnte bei Nicht-Verwandten in der anderen Kontrollgruppe nicht beobachtet werden. Die gesunden Geschwister wiesen einige der kennzeichnendsten Eigenschaften der Spielsüchtigen auf.

Klarheit kann nur eine größere Studie bringen

Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler zeigen sich sehr beeindruckt und überrascht von den Ergebnissen der Geschwister-Studie zur Untersuchung von Spielsucht. Sie räumen aber auch ein, dass klare Ergebnisse nur eine groß angelegte Studie mit mehr Probanden bringen kann. Ob sie diese größere Studie selbst oder andere Forscher in Zukunft durchführen, ist noch ungewiss. Klar ist jedoch, dass die Forschung den Ursachen der Spielsucht immer mehr auf die Schliche kommt und dass immer mehr potenziell helfende Therapien und Medikamente entwickelt bzw. entdeckt werden.

Bis man die von der WHO als Krankheit eingestufte Spielsucht aber wirklich erfolgreich behandeln kann und herausgefunden hat, warum manche Menschen nach Glücksspielen wie Roulette oder Poker süchtig werden und andere nicht, wird noch eine ganze Zeit vergehen.

Nature, doi.org/10.1038/s41386-019-0534-1

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