Robert Klatt
Eine höhere Lithiumkonzentration im Trinkwasser am Wohnort der Mutter während der Schwangerschaft erhöht das Risiko für eine Autismus-Spektrum-Störung beim Kind deutlich.
Los Angeles (U.S.A.). Lithium ist in sehr geringen Mengen im Trinkwasser enthalten, weil das Metall vom Grundwasser auf unterschiedlichen Mineralien ausgewaschen wird. Weil bekannt ist, dass Lithium ein Stimmungsstabilisator ist und Selbstmorde verhindern kann, haben Forscher der Brighton & Sussex Medical School vorgeschlagen, die Lithiumkonzentration im Trinkwasser künstlich zu erhöhen. Es ist jedoch auch bekannt, dass Lithium in der Schwangerschaft das Risiko von kardialen Fehlbildungen beim Baby erhöhen kann.
Wissenschaftler der UCLA Fielding School of Public Health haben nun untersucht, ob viel Lithium im Trinkwasser das Autismus-Risiko bei Kindern beeinflusst. Das Team um Beate Ritz analysierte dazu Gesundheitsdaten aus Dänemark, wo die Lithiumkonzentration zwischen 0,6 µg/l in den westlichen Landesteilen bis 30 µg/l im Osten schwankt.
Durchgeführt wurde die Studie, weil in der Medizin vermutet wird, dass das Metall die Blut-Hirn-Schranke überwindet und im Gehirn einen Signalweg stört, der in Verbindung mit Entwicklungsstörungen des Gehirns, darunter auch Autismus-Spektrum-Störungen, steht. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin JAMA Pediatrics konzentriert sich die Studie auf die pränatale Exposition, also den Kontakt mit Lithium während der Schwangerschaft.
Dazu analysierten die Forscher den Wohnort von Frauen während der Schwangerschaft, bei deren 8.842 Kindern es zu einer Autismus-Spektrum Störung kam. Anschließend verknüpften sie den Wohnort mit der Lithiumkonzentration im Trinkwasser. Als Kontrollgruppe dienten Mütter von 43.864 Kindern, bei denen keine Autismus-Spektrum-Störung entdeckt wurde.
Die Studiendaten zeigen, dass eine höhere Lithiumkonzentrationen während der Schwangerschaft tatsächlich das Risiko für eine Autismus-Spektrum-Störung erhöht. Das Risiko nimmt ab einer Lithiumkonzentration von 7,36 bis 12,67 µg/l und steigt mit einer noch höheren Exposition weiter. Weitere potenzielle Einflussfaktoren wie das Geburtsjahr und das Geschlecht des Kindes, der Geburtsort, der sozioökonomische Status der Region und das Alter der Mutter wurden dabei berücksichtigt.
In Fall-Kontrollstudien können mögliche Auslöser von Autismus-Spektrum-Störungen nicht immer lückenlos identifiziert werden. In der aktuellen Untersuchung fehlten beispielsweise Daten zu Ernährungsgewohnheiten und Lebensstil der Teilnehmer.
Die Frage, ob die Mütter der betroffenen Kinder tatsächlich Leitungswasser konsumiert haben, bleibt ebenfalls offen. Zudem könnte die Ursache der Störungen auf andere Mineralien oder Metalle zurückzuführen sein, die gemeinsam mit Lithium aus dem Gestein ausgewaschen wurden. Da es sich um die erste Studie dieser Art handelt, bleibt abzuwarten, ob zukünftige Forschungen in verschiedenen Ländern ähnliche Resultate erzielen werden.
JAMA Pediatrics, doi: 10.1001/jamapediatrics.2023.0346