Robert Klatt
Dank des Lockdown konnten sich Legionellen in vielen Einrichtungen optimal vermehren. 2021 könnte es deshalb zu deutlich mehr Legionelloseinfektionen kommen.
Berlin (Deutschland). Das Robert Koch-Institut (RKI) hat bereits im Epidemiologischen Bulletin (PDF) vom 11. Juni 2020 davor gewarnt, dass die monatelange Schließung von Hotels, Sporteinrichtungen und Teilen von Altenheimen und Krankenhäusern zu einem signifikant höherem Legionellenwachstum in den Trinkwasseranlagen führen kann.
Es ist laut den Wissenschaftlern deshalb denkbar, dass es durch die nun schrittweise erfolgende Wiederinbetriebnahme der im Lockdown ganz oder teilweise geschlossenen Einrichtungen zu vermehrten Fällen von Legionellose kommen wird. Geteilt wird diese Ansicht von Marianne Mesner Milchwirtschaftliche Laborantin und Standortleiterin des Analytik-Instituts Rietzler, die gegenüber Merkur.de über die Risiken informiert hat.
In normalen Jahren erkranken laut einer Studie des Kompetenznetzes Ambulant Erworbene Pneumonien, die im Fachmagazin Clinical Infectious Diseases publiziert wurde, in Deutschland etwa 30.000 Menschen an Legionellose. Davon verlaufen laut dem RKI etwa 15 Prozent der Krankheiten tödlich. 2021 sind hingegen laut Experten deutlich mehr Infektionen und demnach auch mehr Todesfällen wahrscheinlich.
Wie das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit des GeoHealth Centers der Universität Bonn (IHPH) im Auftrag von figawa - Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach e. V. ermittelt hat, leben auch ohne Lockdown in vielen Trinkwasseranlagen Legionellen. Sie können sich dort bei Temperaturen zwischen 20 und 45 Grad Celsius optimal vermehren.
Der lange Stillstand der Trinkwasseranlagen während des Lockdowns hat die Lebensbedingungen der stäbchenförmiger Bakterien aus der Familie der Legionellaceae weiter verbessert. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass die Legionellen in vielen Einrichtungen Rohrinnenoberfläche einen sogenannten Bakterienrasen (Biofilm) gebildet haben. Das dadurch ausgelöste exponentielle Wachstum kann bereits nach wenigen Tagen dazu führen, dass die gesetzlichen Grenzwerte deutlich überschritten werden.
Werden die Anlagen nun wieder in Betrieb genommen, ist das Wasser somit stark mit Legionellen belastet. Die Infektion erfolgt dabei über feinste bakterienhaltige Wassertropfen, die zum Beispiel beim Duschen eingeatmet werden und dadurch in die Lunge gelangen. Durch das Trinken oder Hautkontakt mit legionellenhaltigem Wasser kommt es hingegen nicht zu Infektionen.
In der Pflicht bei der Legionellenprophylaxe sehen Experten vor allem die Betreiber. Diese sollten vor der erneuten Nutzung sämtliche Leitungen mit mindestens 55 Grad Celsius heißem Wasser spülen, um die Bakterien abzutöten. Zusätzlich schützen können sich Gäste in Hotels und Ferienhäusern beim Duschen durch einen speziellen Legionellenfilter, der auch bei einem akuten Legionellenbefall Infektionen verhindern kann.
Außerdem empfehlen Experten allen Betreibern das Trinkwasser in ihrer Anlage auf Legionellen zu prüfen und bei einem Fund Desinfektions- und Sanierungsmaßnahmen einzuleiten. Aufgrund der Kosten und der Pflicht des Labors ein Überschreiten der Grenzwerte an das Gesundheitsamt zu melden, vermeiden viele Betriebe einen solchen Test jedoch.
Clinical Infectious Diseases, doi: 10.1086/586741