Robert Klatt
Die Zahl der Spermien bei Männern ist binnen vier Jahrzehnten weltweit stark gesunken. Welche Gründe und Folgen der Rückgang hat, ist noch unklar.
Jerusalem (Israel). Laut einer Studie der Hebrew University of Jerusalem (HUJI) ist die durchschnittliche Spermienkonzentration im Zeitraum von 1973 bis 2018 von 101,2 Millionen auf 49 Millionen Spermien pro Milliliter Samenflüssigkeit gesunken. Wie die Wissenschaftler um Hagai Levine im Fachmagazin Human Reproduction Update berichten, belegen die Daten zudem, dass die Zahl der Spermien immer schneller zurückgeht. Aktuell sinkt die Anzahl der Spermien mit einer Rate von 1,1 Prozent pro Jahr.
Die Metastudie der HUJI basiert auf Daten von über 57.000 Männern aus 53 Ländern. Laut Professor Christian Gratzke, ärztlicher Direktor der Urologie der Uniklinik Freiburg, ist die große Probandenanzahl, die aus allen Regionen der Erde stammten, eine Stärke der Studie. Ihre Ergebnisse bestätigen eine 2017 publizierten Studie, die in der Kritik stand, weil sie lediglich Männer aus Nordamerika, Europa, Australien und Neuseeland umfasste.
Welche Gründe für die sinkende Spermienkonzentration verantwortlich sind, beantwortet die Studie nicht. Laut Gratzke könnte die erhöhte Aufnahme des weiblichen Sexualhormons Östrogen über das Trinkwasser für den Rückgang verantwortlich sein. Frauen, die die Antibabypille nehmen, scheiden dieses Hormon über ihren Urin aus. Weil Kläranlagen es nicht aus dem Abwasser filtern können, gelangt das Hormon in das Trinkwasser des Menschen.
Außerdem wird befürchtet, dass Wärmestrahlung, die etwa von Laptops und Smartphones abgegeben wird, die Spermienzahl reduzieren könnte. Dieser Zusammenhang wurde bisher aber noch nicht durch Studien belegt.
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist ein Wert von unter 15 Millionen Spermien pro Milliliter Samenflüssigkeit bedenklich. Auch Gratzke ist der Ansicht, dass der aktuelle Rückgang der Spermienkonzentration die Fruchtbarkeit noch nicht negativ beeinflusst. Deutlich wichtiger für die Fruchtbarkeit sind die Vitalität und Mobilität der Spermien. Weil die Wissenschaft diese Faktoren inzwischen jedoch deutlich anders untersucht, ist ein historischer Vergleich kaum möglich.
Die Studienautoren erklären jedoch, dass eine niedrige Spermienkonzentration ein Risikofaktor für Hodenkrebs ist. Sollte die Spermienkonzentration weiter sinken, könnte zudem die natürliche Fortpflanzungsfähigkeit der Menschheit gefährdet sein. Mittels In-vitro-Fertilisation können jedoch auch Männer, mit einer deutlich niedrigeren Spermienanzahl Kinder zeugen. Sie gelten deshalb nicht als unfruchtbar.