Robert Klatt
Männer mit einer schlechten Spermienqualität haben eine deutlich geringere Lebenserwartung als Männer mit einer hohen Spermienqualität. Dies liegt wahrscheinlich am oxidativen Stress, der dem gesamten Körper inklusive der Hoden und Spermien schadet.
Kopenhagen (Dänemark). Ein Mann produziert pro Ejakulation zwischen 40 und 300 Millionen Spermien. Eine Spermienkonzentration von unter 15 Millionen Spermien pro Milliliter ist laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) niedrig und ein möglicher Grund für eine Unfruchtbarkeit. Die meisten Männer wissen jedoch erst, ob ihr Sperma potent ist, wenn sie ein Kind zeugen möchten.
Forscher des Copenhagen University Hospital haben nun eine Studie publiziert, laut der die Spermienqualität nicht nur für die Fortpflanzung entscheidend ist, sondern auch über die allgemeine Gesundheit und die Lebenserwartung eines Mannes Informationen liefern kann. Männer mit einer hohen Spermienqualität leben demnach im Mittel länger.
„Spermien könnten die Kanarienvögel in der Kohlengrube für die Gesundheit von Männern sein.“
Laut der Publikation im Fachmagazin Human Reproduction haben die Wissenschaftler Spermaproben von etwa 80.000 Männern auf Samenvolumen, Spermienkonzentration, Spermienform sowie schwimmende Spermien analysiert. Anschließend wurde die Gesundheit für bis zu 50 Jahre dokumentiert. In diesem Zeitraum sind etwa 8.600 Probanden verstorben (11 %).
Die Studiendaten zeigen, dass Männer mit über 120 Millionen schwimmenden Spermien pro Ejakulat eine um zwei bis drei Jahre höhere Lebenserwartung haben als Männer, deren Ejakulat unter fünf Millionen Spermien enthält. Männer mit der höchsten Spermienqualität leben im Mittel 80,3 Jahre und Männer mit der niedrigsten Spermienqualität 77,6 Jahre.
„Es scheint wirklich so zu sein: Je besser die Samenqualität, desto länger das Leben.“
Laut den Forschern zeigen die Daten, dass die Spermienqualität stark mit der allgemeinen Gesundheit eines Mannes korreliert. Der Zusammenhang besteht auch, wenn Risikofaktoren wie Rauchen, hoher Alkoholkonsum und Übergewicht berücksichtigt werden.
John Aitken von der University of Newcastle erklärt in einem Leitartikel, der ebenfalls im Fachmagazin Human Reproduction erschienen ist, dass die geringere Spermienqualität und die kürzere Lebenserwartung auf oxidativen Stress zurückgehen könnten. Oxidativer Stress entsteht, wenn im Körper zu viele Radikale vorhanden sind. Diese instabilen Moleküle schädigen Zellen im gesamten Organismus und reduzieren dadurch auch die Spermienqualität.
„Jeder Faktor (genetisch, immunologisch, metabolisch, umweltbedingt oder durch den Lebensstil bedingt), der das Gesamtniveau des oxidativen Stresses erhöht, könnte vernünftigerweise Veränderungen im Samenprofil und nachfolgende Sterblichkeitsmuster verursachen.“
Laut dem Wissenschaftler, der nicht an der Studie beteiligt war, kann ein ungesunder Lebensstil freie Radikale im Körper aktivieren. Die hochreaktiven Moleküle werden aber auch durch ein schwaches Immunsystem und Krankheiten freigesetzt, also Faktoren, die die Lebenserwartung reduzieren.
Die Forscher des Copenhagen University Hospital wollen nun untersuchen, welche Krankheiten bei Männern mit schlechter Samenqualität häufig auftreten. In Zukunft könnten Ärzte dann Männern Präventionsmaßnahmen empfehlen, wenn bei ihnen durch eine Spermienanalyse ein höheres Risiko festgestellt wurde. Laut den Wissenschaftlern ist die Studie für Männer mit schlechter Spermienanalyse kein Grund für Angst oder Panik.
„Sie sollten aber die Gelegenheit nutzen, alle Bedenken mit ihrem Fruchtbarkeitsspezialisten oder Hausarzt zu besprechen. Gerade Männer sollten ermutigt werden, jedes Angebot für eine Gesundheitsuntersuchung wahrzunehmen, das ihnen angeboten wird.“
Human Reproduction, doi: 10.1093/humrep/deaf023
Human Reproduction, doi: 10.1093/humrep/deaf027