Immunsystem gestört?

Mann hat sich 217 Mal gegen Covid-19 impfen lassen

 Robert Klatt

Mann erhält Impfung gegen Covid-19 )kcotS ebodAkuidimeD aniraM(Foto: © 

Ein 62-jähriger Mann hat sich 217 Mal gegen Covid-19 impfen lassen. Forscher haben nun untersucht, wie sich die Hypervakzinierung auf das Immunsystem und die Gesundheit auswirkt.

Erlangen (Deutschland). In Deutschland hat sich ein 62-jähriger Mann laut eigenen Angaben 217 Mal gegen Covid-19 impfen lassen. 130 Impfungen, die der Mann innerhalb von nur neun Monaten erhalten hat, wurden durch Ermittlung der Staatsanwalt offiziell bestätigt. Der Mann hat acht unterschiedliche Impfstoffe, darunter mehrere mRNA-Impfstoffe, erhalten. Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und des Universitätsklinikums Erlangen um Prof. Dr. Christian Bogdan haben nun untersucht, wie sich die zahlreichen Impfungen auf die Gesundheit und das Immunsystem ausgewirkt haben.

„Wir sind durch Zeitungsberichte auf ihn aufmerksam geworden. Wir haben dann zu ihm Kontakt aufgenommen und ihn eingeladen, sich in Erlangen diversen Tests zu unterziehen. Daran hatte er auch großes Interesse.“

Laut der im Fachmagazin The Lancet Infectious Diseases publizierten Studie war es in der Medizin bislang unklar, welche Effekte eine sogenannte Hypervakzinierung auslöst. Es ist bekannt, dass manche Krankheiten zu einer Ermüdung des Immunsystems führen. Weil die meisten Impfstoffe ebenfalls Bestandteile von Krankheitserregern enthalten, gingen laut Dr. Schober manche Forscher davon aus, dass die Impfungen ebenfalls zu Gewöhnungseffekten führen, die die Leistungsfähigkeit der Abwehrzellen des Immunsystems reduzieren.

„Das kann etwa bei einer chronischen Infektion wie HIV oder Hepatitis B der Fall sein, die immer wieder aufflackert. Es gibt Hinweise darauf, dass bestimmte Arten von Abwehrzellen – die T-Zellen – dann ermüden. Sie schütten dann beispielsweise weniger entzündungsfördernde Botenstoffe aus.“

Bluttests zeigen keine Auffälligkeiten

Laut den Blutproben des Probanden hat die Hypervakzinierung das Immunsystem nicht beeinträchtigt. Sein Blut enthält eine große Anzahl von T-Effektorzellen gegen SARS-CoV-2. Eine Ermüdung des Immunsystems durch Gewöhnungseffekte ist bei dem 217 Mal geimpften Mann also nicht aufgetreten. Die Anzahl seiner Abwehrzellen war sogar höher als bei dreifach geimpften Menschen.

„Der Betroffene hat sich in den letzten Jahren häufiger verschiedenen Bluttests unterzogen. Wir konnten mit seiner Erlaubnis die Ergebnisse dieser Analysen auswerten. In manchen Fällen waren auch Proben eingefroren worden; diese konnten wir selber untersuchen. Wir hatten außerdem die Möglichkeit, selbst Blutproben zu entnehmen, als sich der Mann im Laufe der Studie auf eigenes Betreiben nochmals impfen ließ. Mit diesen Proben konnten wir die direkte Reaktion des Immunsystems auf die Impfung nachvollziehen.“

Auch die Anzahl der sogenannten T-Gedächtniszellen, aus denen bei Bedarf passende Effektorzellen entstehen, war laut Katharina Kocher durch die Hypervakzinierung nicht reduziert.

„Die Zahl der Gedächtniszellen war bei unserem hypervakzinierten Probanden genauso hoch wie in der Vergleichsgruppe. Insgesamt fanden wir also keine Anzeichen für eine schwächere Immunantwort – eher im Gegenteil.“

Weitere Experimente zeigen, dass das Immunsystem des hypervakzinierten Mannes auch bei anderen Krankheitserregern noch funktioniert. Laut Schober hat die hohe Anzahl an Impfdosen also zu keinem Schaden geführt.

„Unser Proband wurde mit insgesamt acht verschiedenen Vakzinen geimpft, darunter auch verschiedenen verfügbaren mRNA-Impfstoffen. Die Beobachtung, dass es trotz dieser außerordentlichen Hypervakzinierung nicht zu erkennbaren Nebenwirkungen gekommen ist, steht im Einklang mit der grundsätzlich guten Verträglichkeit der Präparate.“

Die Forscher erklären jedoch, dass es sich bei dem Probanden um einen Einzelfall handelt. Es ist demnach denkbar, dass eine Hypervakzinierung bei anderen Menschen das Immunsystem schädigt oder andere unerwünschte Nebenwirkungen auslöst.

The Lancet Infectious Diseases, doi: 10.1016/S1473-3099(24)00134-8

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