Conny Zschage
2001 gaben mehrere Forschungsgruppen bekannt 92 % des menschlichen Erbguts entschlüsselt zu haben. Dies war ein Meilenstein für die biomedizinische Forschung und die gesamte Wissenschaft. Auch die moderne Gentechnik macht sich dieses Wissen zunutze. Nun hat ein internationales Forschungsteam höchstwahrscheinlich einen noch größeren Teil mithilfe neuer Technik entschlüsselt.
Bethesda (U.S.A). Das Genom ist der wohl wichtigste Bestandteil eines Menschen. Es beinhaltet die Chromosomen, DNA und RNA. Anhand des Genoms lässt sich ablesen welche genetischen Bausteine welche Körperfunktionen steuern, wie Krankheiten zustande kommen und wie Krebs entsteht. Es gibt also zahlreiche Gründe für das Entschlüsseln eines Genoms.
Das größte Problem für eine genauere Analyse des menschlichen Erbguts war bisher unzureichende Technologie. Doch durch die gigantischen Fortschritte in der Computertechnik ist es nun einem internationalen Forschungsteam unter Leitung des National Human Genome Research Institute in Bethesda gelungen die verbleibenden 8 % zu entschlüsseln.
Ein Großteil des Genoms wurde bisher untersucht, indem das Erbgut in kleine Stücke zerlegt, analysiert und wieder zusammengesetzt wurde. Dies funktioniert allerdings nicht für sich oft wiederholende Sequenzen, wie sie bei dem Knoten eines Chromosoms, dem sogenannten Zentromer, oft vorkommen. Für ihre Untersuchung verwendeten die Forscher deshalb zwei alternative neue Technologien. Bei der einen wurde das DNA-Molekül in größere Teile sequenziert, während die andere diese Sequenz mit Lasern untersuchte.
Allein sind diese neuen Techniken noch unzuverlässig, aber in Kombination ergab sich ein brauchbares Ergebnis. So wurde die Anzahl der erfassten DNA-Basen von 2,92 Milliarden auf 3,05 Milliarden erhöht, was einem Anstieg von 4,5 % entspricht. Die Zahl der erfassten Gene stieg um 0,4 % auf 19.969. Was erstmal nach nicht sonderlich viel klingt, ist trotzdem von großer Wichtigkeit. Die komplizierten untersuchten Sequenzen sind z.B. für die Entwicklung eines Embryos zuständig und könnten so neue Erkenntnisse für die DNA-Schere CRIPSR bringen.
Für die Entschlüsselung untersuchte das Forscherteam nur 23 statt der üblichen 46 Chromosomen, da das Erbgut aus einer Blasenmole stammte. Diese entsteht, wenn eine Eizelle ohne Zellkern von einem Spermium befruchtet wird und enthält deshalb nur das Erbgut des Vaters. Dadurch konnte die benötigte Rechenleistung für die Untersuchung stark reduziert werden. Auch bei der ersten Entschlüsselung von 2001 wurden nur 23 Chromosomen analysiert. Da sich die Technik aber stetig weiterentwickelt, wollen die Forscher das nächste Mal alle 46 Chromosomen untersuchen.
Trotz des beeindruckenden Ergebnisses ist zu beachten, dass es bisher noch nicht von unabhängigen anderen Forscherteams bestätigt wurde. Die Studie wurde bisher nur auf dem Preprint-Server BioRxiv hochgeladen. Dadurch steht sie zwar schon jedem zur Verfügung, muss aber noch verifiziert werden um als tatsächliche wissenschaftliche Erkenntnis zu gelten. Falls dies geschieht, könnte die gesamte Gentechnik von neuen Methoden profitieren und dabei helfen eine Heilung für Krebs oder AIDS zu finden.
bioRxiv, doi: 10.1101/2021.05.26.445798