Robert Klatt
Long Covid betrifft rund 400 Millionen Menschen und kann bisher nicht ursächliche behandelt werden. Nun wurde ein Probiotikum entwickelt, dass die Dauer der Müdigkeit verkürzt.
Graz (Österreich). Laut einer Publikation der Washington University in St. Louis (WashU) im Fachmagazin Nature Medicine leiden etwa 400 Millionen Menschen an Long Covid. Zu den Symptomen der Folgeerkrankungen von Covid-19 gehören unter anderem Erschöpfung, Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Husten, Muskelschwäche, Sprachstörungen. Eine ursächliche Behandlung gibt es bisher nicht. Die Medizin empfiehlt Betroffenen deshalb vor allem Ruhe, Entspannung und ausreichender Schlaf.
Eine Studie des Center for Biomarker Research in Medicine (CBmed) und der Medizinische Universität Graz (Med Uni Graz) zeigt nun, dass ein spezielles Probiotikum die Dauer der Symptome reduzieren kann.
„Wir haben uns intensiv damit beschäftigt, wie das Mikrobiom in das Entstehen der Erkrankung, in den Verlauf beziehungsweise den Schweregrad involviert ist. Außerdem wollten wir wissen, ob es nach Monaten noch nachweisbare Veränderungen gibt und ob sich diese auch irgendwie in Beschwerden widerspiegeln.“
Laut der Publikation im Fachmagazin Nutrients haben die Wissenschaftler Stuhl-, Blut- und Harnproben von 21 Menschen nach einer schweren Covid-19-Infektion analysiert. Zudem haben die Probanden Funktions- und körperliche Untersuchungen durchlaufen und haben mit Fragebögen über ihre Symptome und Lebensqualität informiert. Die Analyse zeigt, dass es bei den Menschen durch den schweren Covid-19-Krankheitsverlauf zu starken körperlichen Veränderungen kam.
„Wir fanden deutliche Veränderungen im Darmmikrobiom zehn Monate nach der schweren Covid-Erkrankung im Vergleich zur Mikrobiomzusammensetzung von Menschen nach leichten Erkrankungen. Diese Veränderungen betrafen zum Teil auch die Darmbarriere und die Funktion des Darmmikrobioms.“
Anschließend haben die Probanden ein Probiotikum erhalten, das zuvor positive Ergebnisse in Zellkulturmodellen erzielt hat. Als Vergleichsgruppe haben die Forscher Probanden verwendet, die nur einen leichten Covid-19-Verlauf durchlebt haben.
„Patientinnen und Patienten mit schwerer Covid-Infektion erhielten eine Intervention mit einem Probiotikum, das bereits in experimentellen Arbeiten mit Daten aus Tiermodellen und Zellkulturmodellen positive Auswirkungen auf den Verlauf von Virusinfektionen gezeigt hatte.“
Die Probiotikumbehandlung hat bereits nach kurzer Zeit zu einem deutlichen Rückgang der Müdigkeit geführt. Die positiven Ergebnisse wurden sich sowohl in den subjektiven Berichten der Probanden als auch in der Untersuchung ihres Darmmikrobiom festgestellt. Nebenwirkungen wurden in der Studie nicht festgestellt.
„Die Menschen fühlten sich schneller besser und waren weniger müde – und diese Müdigkeit war bereits nach der Hälfte der Behandlung signifikant geringer als bei der Placebo-Gruppe.“
Long-Covid-Beschwerden neben der Müdigkeit wurden durch das Probiotikum jedoch nicht verbessert.
„Man kann natürlich behaupten, dass das Symptom der Müdigkeit nur eines von vielen Symptomen ist, aber andererseits ist es jenes, das den Menschen am meisten zu schaffen macht und die größte Lebensqualitätseinschränkung mit sich bringt.“
Angesichts der positiven Ergebnisse planen die Forscher ein Folgeprojekt, für das derzeit noch die Finanzmittel beschafft werden müssen.
„Durch die aus der Pilotstudie ermittelten Daten könnte man eine größere klinische Studie designen, bei der das Haupteinschlusskriterium zum Beispiel die Müdigkeit nach einer Infektion sein könnte.“
Zudem haben Wissenschaftler der Medizinischen Universität Innsbruck ein weiteres Probiotikum entwickelt, das ebenfalls die Müdigkeit bei Long Covid und beim Chronic-Fatigue-Syndrom reduzieren kann. Es ist deshalb denkbar, dass die Behandlung durch eine Kombination der beiden Mittel weiter verbessert werden kann.
„Ich denke, Long Covid ist nach wie vor ein Thema – Gott sei Dank nicht mehr so emotionalisiert wie vor drei Jahren, aber durchaus noch wert, weiter wissenschaftlich verfolgt zu werden, um akute Erkrankungen im Verlauf zu verkürzen und die Lebensqualität zu verbessern.“
Nature Medicine, doi: 10.1038/s41591-024-03173-6
Nutrients, doi: 10.3390/nu16223840