Robert Klatt
Studien haben bisher fast nur eine mögliche toxische Wirkung von Mikroplastik beim Menschen untersucht. Eine Studie belegt nun aber auch, dass die kleinen Plastikpartikel menschliche Zellen mechanisch schädigen und so Entzündungen auslösen.
Saarbrücken (Deutschland). Mikroplastik ist inzwischen auf der gesamten Erdoberfläche zu finden. In den Ozeanen befinden sich außerdem laut Schätzungen etwa 70 Millionen Tonnen der kleinen Plastikpartikel. Es ist deshalb nicht überraschend, dass sich inzwischen auch Mikroplastik in menschlichen Organen sammelt. In Abhängigkeit von der individuellen Lebensart nehmen Menschen pro Jahr etwa 200.000 Mikroplastikpartikel auf. Die Auswirkungen auf die Gesundheit sind bisher kaum erforscht. Es existieren aber Hinweise darauf, dass das Plastik im menschlichen Körper zu Krebs, Unfruchtbarkeit und Entzündungen führen kann.
Wissenschaftler der Universität des Saarlandes haben nun erstmals nachgewiesen, dass die Plastikpartikel Zellmembranen mechanisch destabilisieren können. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin PNAS liegt dies daran, dass Mikroplastik die Membranen der roten Blutkörperchen dehnt und dadurch deren mechanische Stabilität signifikant reduziert.
„Aktuell wird über eine mögliche toxische Wirkung von Mikroplastik auf menschliche Zellen diskutiert. Die Möglichkeit einer Entzündung einer Zellmembran durch einen rein physikalischen Effekt wird jedoch von den allermeisten Studien völlig ignoriert“, erklärt Jean-Baptiste Fleury.
Aus physikalischer Sicht ist dieser Effekt unerwartet, weil eine Zellmembran mehr Ähnlichkeit mit einer Flüssigkeit als mit einem festen Gewebe hat. Eigentlich müsste jede mechanische Wirkung deshalb wie bei anderen Flüssigkeiten mit der Zeit geringer werden und schlussendlich komplett verschwinden.
„Überraschenderweise haben wir jedoch beobachtet, dass sich die Membranen von künstlichen Zellen und roten Blutkörperchen in Gegenwart von Mikroplastik dehnen. Anscheinend entzündet sich die Membran der roten Blutkörperchen des Menschen spontan“, erklärt Fleury.
Der theoretische Physiker Vladimir Baulin konnte diese Wirkung mit einem von ihm entwickelten mathematischen Modell erklären, das zeigt, wie Mikroplastik auf Zellmembranen wirkt. „Vereinfacht gesagt, hat das Modell von Vladimir Baulin vorhergesagt, dass jedes Partikel einen Teil der Membranfläche verbraucht, was dazu führt, dass sich die Membran um ein Partikel zusammenzieht. Dieser Effekt führt dann zwangsläufig zu einer mechanischen Dehnung der Zellmembran. Wir konnten überdies experimentell nachweisen, dass das theoretische Modell sogar den Anstieg der Zellmembranspannung quantitativ vorhersagen kann“, erklärt Fleury.
PNAS, doi: 10.1073/pnas.2104610118