Robert Klatt
Ein natürliches Schmerzmittel, das auf einem kürzlich entdeckten Penicillium-Pilz basiert, könnte Opioide ersetzen, die aufgrund ihres Suchtpotentials und der Nebenwirkungen umstritten sind.
Sydney (Australien). Menschen mit chronischen Schmerzen kann in vielen Fällen nur noch mit Opioiden geholfen werden, die an Rezeptoren des Gehirns und des Nervensystems andocken und die Verarbeitung von Schmerzreizen unterdrücken. Laut dem Stufenplan der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollen Ärzte starke Opioide erst als letzte Möglichkeit verabreichen, beispielsweise bei Krebspatienten mit starken Tumorschmerzen. Der zurückhaltende Umgang soll schwere Nebenwirkungen verhindern und dafür sorgen, dass Menschen nicht süchtig werden. Trotzdem sind vor allem in den USA Millionen Menschen abhängig nach Oxycontin und anderen Schmerzmitteln, die bei einer Überdosierung zum Tod führen können.
Die Wissenschaft sucht aus diesem Grund seit längerem nach alternativen Wirkstoffen, um Opioid-Schmerzmitteln zu ersetzen und Schmerzpatienten mit weniger gefährlichen Medikamenten zu helfen. Dabei wurde unter anderem entdeckt, dass das eigentlich tödliche Kugelfisch-Gift Tetrodoxin ähnlich wie Opioide wirkt und die Signalweiterleitung des Schmerzreizes in den Natriumkanälen blockiert.
Laut einer im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten Studie haben Wissenschaftler der University of Sydney nun ein weiteres vielversprechendes, natürliches Schmerzmittel in bisher unbekannten Pilzen der Gattung Penicillium entdeckt. Gefunden wurde die neue Spezies im Schlamm eines Gewässers im australischen Bundesstaat Tasmanien. Zuvor bekannte Pilze dieser Gattung werden bereits in der Medizin aufgrund des von ihnen produzierten antibiotisch wirkenden Penicilline genutzt.
Während der Untersuchung der MST-MF667 genannten Penicillium-Art fanden die Wissenschaftler drei Tetrapeptide, dies sind Peptide aus vier Aminosäuren. Tetrapeptide besitzen eine ähnliche Struktur wie das körpereigene Endomorphinen des Menschen, das ebenfalls wie Opioide auf die μ-Rezeptoren wirkt. In der Medizin werden Endomorphinen-ähnliche Wirkstoffe seit längerem als Basis für neue Schmerzmittel und somit Ersatz für Opioidmittel gesehen. Das Team um Studienleiter Zoltan Dekan erzeugte deshalb aus den Tetrapeptiden des Pilzes ein neues Analgetikum.
Im Gegensatz zu Opioidmitteln zeigte sich, dass das sogenannte Bilorphin über einen anderen Signalweg auf die μ-Opiodrezeptoren wirkt. Laut den Wissenschaftlern verspricht die Nutzung des G-Protein-Signalwegs weniger starke Nebenwirkungen und eine Reduzierung des Suchtpotenzials.
Anschließende Tierversuche zeigten jedoch, dass Bilorphin bei Labormäusen praktisch wirkungslos ist. Erst die Zugabe einer Zuckereinheit sorgte dafür, dass der neue Wirkstoff Bilactorphin aktiv wurde und eine mit Morphin vergleichbare Wirkung entfaltet.
Weitere Studien sollen nun zeigen, ob Bilactorphin herkömmliche Schmerzmittel in Zukunft ersetzen kann. Sollten die Wissenschaftler dabei Erfolg haben, könnte laut Co-Autor MacDonald Christie „eines Tages ein neues Medikament auf den Markt kommen, das wahrscheinlich das Risiko von tödlichen Überdosierungen und anderen Nebenwirkungen reduzieren würde.“
Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1908662116)