Neue Antibiotika

Naturstoff aus Insekten tötet resistente Bakterien

Robert Klatt

Petrischale mit multiresistenten Bakterien )kcotS ebodAffoknedoroG(Foto: © 

Multiresistente Bakterien verursachen Millionen Todesfälle. Eine neue Antibiotikaklasse, die aus einer Insektensubstanz besteht, könnte bald Menschen mit bakteriellen Lungeninfektionen retten.

Zürich (Schweiz). Immer mehr Bakterien, unter anderem der gefährliche Krankenhauskeim MRSA, sind resistent gegenüber herkömmlichen Antibiotika. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben etwa fünf Millionen Menschen an Infektionen mit multiresistenten Bakterien, also mehr als an Aids und Malaria. Die Medizin sucht deshalb mit Hochdruck nach neuen antibakteriellen Medikamenten.

Kürzlich konnten Forscher der McMaster University (Mac) dabei einen Durchbruch erzielen, bei dem erstmals ein neues Antibiotikum durch eine Künstliche Intelligenz (KI) entdeckt wurde. Laut Oliver Zerbe von der Universität Zürich (UZH) ist die Entwicklung neuer Antibiotika aber noch immer sehr langsam.

„Unglücklicherweise ist die Pipeline für neue Antibiotika ziemlich leer. Seit mehr als fünfzig Jahren sind keine Antibiotika gegen bisher nicht verwendete Zielmoleküle zugelassen worden.“

Neu entwickelte Klasse von Antibiotika

Laut einer Publikation im Fachmagazin Science Advances haben die Wissenschaftler um Zerbe von der UZH nun eine Klasse von sehr effizienten Antibiotika entdeckt, die Gram-negative Bakterien durch einen neuen Wirkmechanismus eliminieren können. Gram-negative Bakterien sind laut der WHO außerordentlich gefährlich, weil sie dank ihrer Doppelmembran besondere Resistenz besitzen.

Das neue Antibiotikum basiert auf dem natürlichen, mikroskopisch kleinen Protein Thanatin, das Insekten zur Bekämpfung von Infektionen nutzen. John Robinson, ein inzwischen emeritierte UZH-Professor, konnte bereits zuvor belegen, dass Thanatin eine kritische Transportroute für eine wesentliche Lipid-Zucker-Komponente zwischen der inneren und äußeren Membran von Gram-negativen Bakterien stört. Anschließend sammeln sich metabolischen Produkte im Inneren der Zellen der Bakterien und diese sterben. Thanatin ist in seiner Naturform aber nicht als Medikament geeignet, weil die Wirkung schwach ist und Bakterien schnell Resistenzen entwickelt würden.

Chemische Struktur von Thanatin verändert

Um die Wirksamkeit von Thanatin zu steigern, haben die Forscher die chemische Zusammensetzung modifiziert. Sie rekonstruierten dazu künstlich die unterschiedlichen Elemente des bakteriellen Transportsystems und konnten mittels Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) veranschaulichen, wo und wie Thanatin sich anheftet und die Beförderung blockiert.

Diese gewonnenen Erkenntnisse ermöglichten es den Wissenschaftlern, die chemischen Veränderungen vorzunehmen, die erforderlich waren, um eine stärkere antibakterielle Wirkung zu erreichen. Darüber hinaus wurden zusätzliche Modifikationen an der ursprünglichen Struktur vorgenommen, um etwa die Stabilität zu verbessern.

Heilung von Lungeninfektionen

Die künstlich produzierten Verbindungen wurden anschließend an Mäusen, die bakterielle Infektionen aufwiesen, erprobt. Laut Zerbe waren die Ergebnisse vor allem bei bakteriellen Lungeninfektionen ausgezeichnet.

„Vor allem bei Lungeninfektionen erwiesen sich die neuartigen Antibiotika als sehr wirksam. Insbesondere sind sie hocheffektiv bei Carbapenem-resistenten Enterobakterien, gegen die fast alle erhältlichen Antibiotika machtlos sind.“

Überdies zeigten die therapeutischen Substanzen keine Toxizität, verursachten keine Nierenschäden, wiesen im Blut eine erhebliche Stabilität auf und verursachten keine Nebenwirkungen. Eine Medikamentenzulassung ist also grundsätzlich möglich. Bevor die ersten klinischen Studien stattfinden können, sind aber noch weitere präklinische Tests nötig.

Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adg3683

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